Einen Tag vor Heiligabend ist Schicht im Schacht: Am 23. Dezember 1986 fahren zum letzten Mal 1.300 Bergleute in die Zeche Zollverein ein, der einst förderstärksten Anlage der Welt. Man will einen leisen Abschied, ohne Bergmannskapelle und Knappenchor. "Der Anlass ist schon traurig genug", erklärt Bergwerksdirektor Hans Peter Richter seinerzeit.
Die schwächelnde deutsche Montanindustrie und der Strukturwandel haben auch Zollverein in die Knie gezwungen. Essen als ehemals größte europäische Bergbaustadt hat fortan keine Zeche mehr. Von heimatlicher Melancholie gepackt, beantragen die Stadtväter noch kurz vor der Stilllegung die Anlage unter Denkmalschutz zu stellen - ohne jedoch einen konkreten Plan für das Gelände zu haben.
Industrielles Kulturdenkmal
Unterstützung finden die Essener bei der Landesregierung. "In Nordrhein-Westfalen ist man schon sehr früh auf die Denkmalwürdigkeit von Arbeitsorten gekommen", sagt Delia Bösch von der Stiftung Zollverein. Doch als die Arbeiter fernbleiben, siecht das Gelände trotz Denkmalschutz vor sich hin. Vandalismus und Müll setzen der Industriebrache zu, kaum ein Fenster bleibt heil.
Schließlich gründen 1989 das Land und die Stadt Essen die Bauhütte Zeche Zollverein, die der ehemaligen Prestige-Zeche einen neuen Nutzen geben und an früheren Glanz anknüpfen soll. So wie 1932, als sich zum ersten Mal die Räder am Fördergerüst über der neuen Schachthalle XII drehen und man Zollverein als größte, modernste und schönste Zeche der Welt feiert. Aus der seit 1847 bestehenden Zeche ist ein industrieller Hochleistungskomplex geworden.
"Schönste Zeche der Welt"
Nie zuvor ist eine Zeche mit einem solchen Kalkül geplant und gebaut worden. Die beiden renommierten Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer schaffen mit dem neuen Schacht XII eine neue Einheit zwischen Form und Funktion. Selbst die Anordnung der Gebäude auf zwei Sichtachsen ist exakt kalkuliert: "Diese beiden Achsen kreuzen sich im sogenannten Ehrenhof vor dem Förderturm und das gibt dieser Zeche diese axiale, ästhetisch durchgeplante, perfekte Struktur", sagt der Museumsleiter auf Zollverein Theo Grütter.
1961 wird die Kokerei ebenfalls nach den Plänen von Fritz Schupp auf dem Gelände eröffnet, auch sie gilt als modernste ihrer Zeit und wird drei Jahrzehnte später geschlossen.
Erhalt durch Umnutzung
Seitdem gilt auf Zollverein das Prinzip "Erhalt durch Umnutzung": In das ehemalige Kesselhaus zieht 1997 das Design Zentrum Nordrhein-Westfalen ein. In der Kompressorenhalle entsteht das Casino Zollverein. Künstler und Kreative entdecken als erste die sanierten Hallen als inspirierenden Ort.
Und am 31. August 2002 kehren auf Zollverein wieder ein wenig Ruhm und Glanz zurück. Im Ehrenhof, in dem sich zu Betriebszeiten der Industrieadel hat empfangen lassen, wird die Urkunde zur Ernennung zum UNESCO-Welterbe überreicht. Im Dezember 2001 hat die Organisation die Aufnahme verkündet, nun wird offiziell gefeiert. Bundespräsident Johannes Rau reist eigens zur Enthüllung der Plakette in die Heimat.
Der UNESCO-Titel gibt auf Zollverein neuen Auftrieb und sichert weitere Investitionen: In der Kohlenwäsche präsentiert sich wenige Jahre später das Ruhr Museum, in der Umformerhalle das Besucherzentrum des Ruhrgebiets und in der ehemaligen Kokerei wird geschwommen. Rund 1,5 Millionen Besucher zieht das Welterbe Zollverein jährlich an, nach dem Kölner Dom ist die Zeche das am zweithäufigsten besuchte Touristenziel an Rhein und Ruhr.
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