23. Juni 2006 - Riesenschildkröte Harriet stirbt

Stand: 23.06.2016, 00:00 Uhr

Im Herbst 1835 nimmt das britische Forscherschiff "Beagle" mit dem junge Charles Darwin an Bord Kurs auf die völlig isoliert im Pazifik liegende Inselgruppe Galapagos. "Beim Spazierengehen traf ich auf zwei große Schildkröten, von denen jede mindestens zweihundert Pfund gewogen haben muss", notiert der noch unbekannten Darwin. Die Tiere starren den Forscher an und kriechen langsam weiter. Ohne natürliche Feinde führen die Riesenschildkröten ein gemächliches Leben.

Bis die ersten Menschen den vorzüglichen Geschmack der Schildkröten entdecken. Zudem eignen sie sich perfekt als Reiseproviant für Seefahrer, denn sie können ohne Nahrung ein Jahr leben. Auch Darwin und seine Crew laden vor der Weiterfahrt unzählige Riesenschildkröten als Fleischreserve ein. Darunter sollen auch drei junge tellergroße Artvertreter gewesen sein, die Darwin selbst Tom, Harry und Dick tauft und die nicht gegessen werden - so will es die Legende.

Schildkröten als Reiseproviant

Zu Hause in London wertet Darwin seine Notizen aus und erinnert sich an ein Gespräch mit dem Vize-Gouverneur auf Galapagos, der meinte: "Wenn Sie mir eine Schildkröte zeigen, kann ich Ihnen genau sagen, von welcher unserer Inseln die stammt." Könnten die unterschiedlichen Panzerformen nicht Anpassungen an die Umwelt der jeweiligen Insel sein? Ein Resultat der natürlichen Auslese, eine Stütze für Darwins Idee über die Entstehung von Arten? Die daraufhin untersuchten mitgebrachten Tiere können seine Theorie nicht beweisen. Die Schildkröten sind noch zu jung, die unterschiedlichen Panzer entwickeln sich erst mit fortschreitenden Alter.

Darauf kann Darwin nicht warten und konzentriert sich auf andere Tiergruppen. Als ein ehemaliger Offizier der "Beagle" ein Amt im wärmeren Australien antritt, soll er die drei Tiere, denen das nasskalte Londoner Klima nicht gut bekommt, mitgenommen haben. In Australien landen die Schildkröten schließlich im botanischen Garten von Brisbane. Dort bleibt Harry rund 100 Jahre. Was aus Tom und Dick wird, ist unklar. Als das Tiergehege in den 1950er Jahren im botanischen Garten geschlossen wird, zieht Harry in einen privaten Zoo um. Und mit rund 130 Jahren wird aus Harry eine Harriet, denn die Riesenschildkröte entpuppt sich als Weibchen.

Darwin oder nicht Darwin?

Jetzt wird Harriet allmählich ein Star. Ihre letzte Heimat der "Australia Zoo" vermarktet sie als das Tier, das schon Darwin gestreichelt hat. Ein Werbeträger, wie ihn sich jeder Tierpark wünscht. "Wir sind ja auch immer fasziniert, wenn Lebewesen so alt werden", sagt Brigitte Conrad vom Zoo in Rostock, der ebenfalls Riesenschildkröten beheimatet. Ein Gentest beweist, dass Harriet tatsächlich um 1830 aus dem Ei geschlüpft sein muss. Doch es wird auch festgestellt, dass sie zur Unterart "Geochelone nigra porteri" gehört. Und die lebte stets nur auf der Galapagosinsel Santa-Cruz. "Und Charles Darwin war nie auf Santa Cruz", sagt Conrad.

Hatte Darwin Harriet also nie selbst in der Hand? Darüber streiten sich die Experten, Harriets Lebenslauf kann nicht einwandfrei rekonstruiert werden. Doch die Zweifel an der gemeinsamen Vergangenheit mit Darwin mindern ihre Popularität nicht im Geringsten. Harriets 175. Geburtstagsfeier im November 2005 wird ein mediales Großereignis, das es bis in die europäischen Zeitungen schafft. Es wird ihr letzter Geburtstag sein. Am 23. Juni 2006 stirbt Harriet an Herzversagen, Tierpfleger finden sie morgens tot im Gehege.

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 23. Juni 2016 ebenfalls an die Riesenschildkröte Harriet. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.