Als Charles Robert Darwin 1876 seine Lebenserinnerungen niederschreibt, hat er sich verändert - vom gottesfürchtigen jungen Mann zum atheistischen Naturforscher: "Ich kann nun wirklich nicht einsehen, warum sich jemand wünschen sollte, das Christentum sei wahr." Das Alte Testament sei "wegen seiner offenkundig falschen Weltgeschichte" nicht glaubwürdiger als andere Religionen. Die Evangelien, so Darwin, "widersprechen sich nach meinem Eindruck einander in vielen wichtigen Einzelheiten." Der Unglaube habe ihn ganz langsam beschlichen, "aber am Ende war er unabweisbar und vollständig".
Fast ein halbes Jahrhundert zuvor hat Darwin gerade sein Theologiestudium abgeschlossen und bricht im Dezember 1831 an Bord der Beagle, einem Schiff von König George IV., in Richtung Südamerika auf. Dort sollen die Küsten vermessen werden. Der am 12. Februar 1809 in Shrewsbury geborene Darwin hat die Aufgabe, die Natur zu beobachten. Während der fünfjährigen Reise - die ihn auch zu den Galapagos-Inseln, Neuseeland, Australien und zum Kap der Guten Hoffnung führt - sammelt er Tintenfische, Krebse, Wespen, Schmetterlinge, Spinnen, Ameisen, Schlangen, Kröten, Eidechsen, Finken. Alle Arten werden genau analysiert, aber nirgendwo findet Darwin göttliche Perfektion und Harmonie. In der Natur herrscht Brutalität: fressen und gefressen werden. Zudem scheinen die unterschiedlichen Arten andere als Vorläufer zu haben. Sind die Arten vielleicht doch nicht einzeln und unwandelbar von Gott geschaffen worden? Darwin zweifelt an der Schöpfungsgeschichte. Als er 1836 nach England zurückkehrt, will er seine Evolutionstheorie ausarbeiten. Doch zuerst heiratet er seine Cousine Emma Wedgwood. Die beiden bekommen zehn Kinder. Darwin zögert, seine Theorie zu veröffentlichen. Denn Emma glaubt fest an Gott und an ein Leben nach dem Tod, erzählt Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer. "Seine Frau hat immer gehofft, dass sie ihn wieder trifft, wenn beide tot sind."
Darwin wartet - fast zu lang. Als er 1858 von einem Kollegen Post bekommt, ist er überrascht. Alfred Russel Wallace hat eine Evolutionstheorie entworfen, die Darwin vertraut vorkommt. Die beiden Forscher sind unabhängig voneinander auf ähnliche Ideen gekommen. Gemeinsam veröffentlichen sie ihre Erkenntnisse in Aufsätzen. Daraufhin verfasst Darwin sein Hauptwerk, das er 1859 unter dem Titel "Die Entstehung der Arten" veröffentlicht. Darin spricht Darwin Klartext: Die Arten sind wandelbar. Sie verändern sich langsam, aber stetig. Dabei überleben diejenigen, die am besten an ihre Umwelt angepasst sind. Die Anpassungen passieren zufällig. Wer sich durchsetzt und mehr Nachkommen zeugen kann, das entscheidet der Kampf ums Dasein.
Den Kampf ums Dasein erlebt Darwin auch in der eigenen Familie. Drei seiner zehn Kinder sterben früh. Darunter seine Lieblingstochter Annie. Darwin kann nicht verstehen, wie Gott dieses Leid zulassen kann. Als Darwin am 19. April 1882 in Downe stirbt, hat er seinen Glauben verloren. Seine Evolutionstheorie hat sich bis heute immer wieder bestätigt. Sie erklärt, wie sich das Leben in Millionen von Jahren entwickelt hat, und dass alle Arten einen gemeinsamen Ursprung haben. Der Mensch ist demnach nur ein Zufallsprodukt und nicht die Krone der Schöpfung. Die sogenannten Kreationisten haben Darwins Theorie bisher nicht anerkannt. Sie glauben weiterhin, die Schöpfungsgeschichte sei wahr. Seit der Veröffentlichung von Darwins Hauptwerk sind allerdings auch erst 150 Jahre vergangen. Die Evolution braucht ihre Zeit.
Stand: 12.02.09