Bevor die Rotationsmaschine für die erste Nummer der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) anläuft, findet eine Handlung mit starkem Symbolcharakter statt: Der Bleisatz, mit dem einst Adolf Hitlers "Mein Kampf" gedruckt wurde, wird eingeschmolzen und in Lettern für die neue Zeitung umgegossen.
Bernard B. McMahon, Kommandeur des US-Nachrichten-Kontrollwesens, überreicht die erste Presselizenz der Militärregierung: "Die 'Süddeutsche Zeitung' wird nicht nur die erste deutsche Zeitung in Bayern, sondern auch die größte Zeitung in der größten Stadt der amerikanischen Besatzungszone sein.“
Startpreis: 20 Pfennig
Lange hat McMahon nach durch die Nazi-Zeit unbelasteten Lizenznehmern gesucht. Er findet sie in den Verlegern August Schwingenstein, Edmund Goldschagg und Franz Josef Schöningh.
Ihr Blatt, so verkünden die Gründer, werde "ein Sprachrohr für alle Deutschen, die einig sind in der Liebe zur Freiheit, im Hass gegen den totalen Staat, im Abscheu gegen alles, was nationalsozialistisch ist".
Als dünnes Blatt mit vier Seiten kommt die Zeitung am 6. Oktober 1945 erstmals auf den Markt, danach an drei Tagen pro Woche, zum Preis von 20 Pfennig. Erst ab September 1949 erscheint die "Süddeutsche" regelmäßig als Tageszeitung.
Regional wie bundespolitisch ein Schwergewicht
Auf dem deutschen Pressemarkt etabliert sich die SZ als "publizistischer Leuchtturm" und "wirkmächtigste Stimme eines linksliberalen Bürgertums", urteilt der Medienwissenschaftler Lutz Frühbrodt: "Aus meiner Sicht ist die Süddeutsche Zeitung heute das Leitmedium Nummer 1 unter den Qualitätsmedien in Deutschland."
Wie ihr stärkster Konkurrent, die 1949 gegründete und eher liberal-konservative "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ), verfügt die SZ als Auflagengarant über einen großen regionalen Teil. Beiden publizistischen Schwergewichten gemeinsam ist, dass sie großen Einfluss auf das bundespolitische Geschehen haben – zu Zeiten der Bonner Republik ebenso wie heute in Berlin.
Glosse als "Personalausweis"
Stilistisch allerdings, meint Medienwissenschaftler Frühbrodt, hat die "Süddeutsche" die Nase vorn: "Bei der SZ geht man dynamischer und kunstvoller mit Sprache um als die nüchtern-sachliche FAZ." Beispielhaft dafür ist das seit 1946 auf der Titelseite veröffentlichte "Streiflicht".
Heribert Prantl, langjähriger Politik-Ressortchef der SZ
Die Glosse mit ihrer oft süffisanten Art und Weise, Themen und Probleme aufzuspießen, sei "so etwas wie unser Personalausweis", sagt Heribert Prantl, langjähriger Politikchef und als gefragter Kommentator das bekannteste Gesicht der SZ.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 6. Oktober 2020 ebenfalls an die Erstausgabe der Süddeutschen Zeitung. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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