In der Silvesternacht 2015 gehen bei der Kölner Polizei mehrfach Notrufe ein. "Wir sind gerade in Köln und sind gerade durch den Hauptbahnhof durch den Eingang gelaufen", sagt eine Anruferin. "Da stehen lauter Leute, und wenn man da durchläuft, dann grapschen die einen, langen unters Kleid, und alles. Aber so richtig." Wie ihr geht es vielen Frauen.
"Es waren entsprechend viele Männer und dementsprechend viele Hände - und die waren überall", sagte Augenzeugin Claudia Vosen dem WDR. "Finger in Körperöffnungen, es wurde in die Hose oben rein, in den Hosenbund von hinten, zwischen die Beine, oben an die Brüste."
Zuwenig Beamte
Die Übergriffe in Köln schockieren weltweit. Mehr als 1.000 junge Männer haben sich am Silvesterabend am Kölner Hauptbahnhof versammelt - sagt der Einsatzleiter der Polizei später.
Vorbereitet ist die Polizei nicht. Es sind lediglich rund 150 Beamte in der Kölner Innenstadt im Einsatz. Weit vor Mitternacht wird die Stimmung auf dem Bahnhofsvorplatz immer aggressiver. Böller werden in die Menge geworfen.
Keine Sanktionen
"Da stehen so Polizisten, aber die machen da gar nichts", beschwert sich eine Frau beim Polizei-Notruf. Ein Gutachter sagt später im Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags, die Männer hätten gemerkt, dass ihr Tun nicht sanktioniert werde.
"Ein wesentlicher Teil der Übergriffe", heißt es 2017 im Abschlussbericht des Ausschusses, "hätte verhindert werden können, wenn schon bei den ersten Straftaten frühzeitig und entschlossen durchgegriffen worden wäre."
Nicht wiedererkannt
Mehr als drei Jahre später zieht das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" eine Bilanz. Grundlage ist eine Aufstellung des Kölner Amtsgerichts.
Den mehr als 600 mutmaßlichen Opfern von Sexualstraftaten stehen demnach drei überführte Sexualstraftäter gegenüber. Zwei von ihnen erhalten Bewährungsstrafen - wegen sexueller Nötigung.
"Die Geschädigten konnten in den allerwenigsten Fällen die Täter wiedererkennen", sagt Staatsanwalt Ulrich Bremer dem WDR. Grund sei das enorme Gedränge gewesen.
Ausländische Tatverdächtige
Ein Großteil der Beschuldigten kommt aus Nordafrika. Viele davon sind Asylbewerber oder illegal Eingereiste. Aber auch Deutsche gehören dazu.
Insgesamt ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft gegen 290 Personen und klagt 52 von ihnen an. Bei den Angeklagten handelt es sich laut Amtsgericht vor allem um Algerier, Marokkaner und Iraker, schreibt der "Spiegel" im März 2019.
Es gibt 32 Verurteilungen. In den meisten Fällen geht es um Diebstahl, Raub und Hehlerei.
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