Die Königin der Herzen fast aller kleinen und vieler großer Mädchen heißt mit vollem Namen Barbara Millicent Roberts. Die superschlanke Blondine hat einen Pilotenschein, mehrere Doktortitel und ist nach 50 Jahren Dauerfreundschaft mit Ken noch immer kinderlos. Unter ihrem Star-Namen "Barbie" hat Miss Roberts einen Bekanntheitsgrad von 100 Prozent. Rund um den Globus finden angeblich in jeder Sekunde drei neue Barbies eine stolze Puppenmutter.
Generationenübergreifend prägt das Püppchen mit der Traumtaille und den endlosen Beinen das Beauty-Ideal junger Mädchen. Ihre Erfinderin Ruth Handler hat in jungen Jahren keine Zeit, mit Puppen zu spielen. Am 4. November 1916 wird sie in Denver, Colorado als zehntes Kind polnischer Einwanderer geboren. Der Vater ein Spieler, die Mutter krank - schon mit zehn muss die spätere Mutter der Barbie-Puppe für den Familienunterhalt arbeiten.
Stil-Ikone mit deutscher Vorfahrin
Auf dem Höhepunkt der Großen Depression in den USA heiratet Ruth 1938 Elliot Handler. Das Paar zieht nach Los Angeles und eröffnet ein Geschäft mit der Herstellung von Bilderrahmen und Möbel für Puppenhäuser. Als die Handlers 1945 mit einer tönenden Kinder-Plastikgitarre großen Erfolg haben, gründen sie gemeinsam mit Harold Matson die Spielzeugfirma Mattel. Dank des Marketing-Talents von Ruth beschäftigt Mattel sechs Jahre später bereits 600 Mitarbeiter.
Auf einer Europareise entdeckt Ruth Handler 1956 in einem Schweizer Geschäft eine Puppe namens Lilli. Die entspricht gar nicht dem in der Spielzeugbranche vorherrschenden Baby-Schema: Lilli ist erwachsen, hat üppige Brüste und einen kecken Pferdeschwanz. Das Vorbild für die etwa 30 Zentimeter großen Puppe stammt aus einer Comic-Serie der Bild-Zeitung. Handler ist begeistert von Lilli und kauft gleich drei: eine für ihre Tochter Barbara, eine für ihren Sohn Ken und die dritte für die Design-Abteilung von Mattel.
Role Model mit realitätsfernen Traummaßen
Bei ihrer Tochter habe sie beobachtet, erzählt Ruth Handler später, dass sie am liebsten mit erwachsenen Anziehpuppen aus Papier spielt: "Damit stellte sie ihre Zukunft dar." Ehemann Elliot und die Mattel-Designer lehnen zunächst entrüstet ab, eine Spielzeugpuppe mit überaus weiblichen Kurven herzustellen. Ruth aber lässt sich nicht beirren: "Ich wollte, dass kleine Mädchen vom Erwachsenwerden träumen können und dazu gehören nun mal Brüste."
Als Mattel die Barbie-Puppe 1959 auf einer Spielwarenmesse vorstellt, reagieren auch die Einkäufer äußerst verhalten. Elliot Handler glaubt sich schon in seinen Vorbehalten bestätigt. Doch als die ersten Barbies in den Schaufenstern der Geschäfte liegen, zeigt sich, dass seine Frau den richtigen Riecher hatte. "I make believe that I am you – Ich lass dich glauben, dass ich du bin", lässt sie Barbie in der Werbung den Mädchen versprechen. Bereits im ersten Jahr verkauft Mattel mehr als 350.000 Püppchen mit den unrealistischen Traummaßen 99–46–84.
Zweite Karriere mit Brustprothesen
Rund um Barbie entsteht ein bonbonfarbene Puppenwelt mit immer neuen Outfits, Frisuren, Freunden, ethnischen Varianten und teurer Ausstattung. Dank Ruth Handlers Idee steigt Matell zu einem der größten Spielwarenkonzerne der Welt auf. Chamäleonartig passen sich Barbie und ihr Busen dem Zeitgeschmack an. 1964 erhält die Puppe ihre erste Schönheits-OP an Augen und Beinen, dann ein verjüngendes Facelifting. Auf dem Höhepunkt der Hippiewelle lernt sie Sätze sagen wie "Was soll ich zum Abschlussball anziehen?"
In den 70er Jahre erkrankt Matell-Präsidentin Ruth Handler an Brustkrebs. Als ihr beide Brüste amputiert werden müssen, zieht sie sich aus der Konzernleitung zurück. "Ich habe immer um die Anerkennung als Geschäftsfrau gekämpft, aber mit meinen Brüsten verlor ich auch meine Weiblichkeit", bekennt sie. Ihren Geschäftssinn aber verliert die Barbie-Mutter nicht. Mit dem Unternehmen "Nearly me" - was werbewirksam "Fast wie ich" bedeutet - gründet sie einen millionenschweren Hersteller von Brustprothesen. Am 27. April 2002 stirbt Ruth Handler im Alter von 85 Jahren.
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