Hans Sloane hat viele Talente. Und viele Interessen. Der 1660 in Killyleagh geborene Ire ist ein begnadeter Arzt, ein blendender Geschäftsmann – und ein großer Freund von Botanik und Naturgeschichte. Er geht auf Forschungsreise nach Jamaika, Ägypten, Peru und in den Orient, macht mit Kaffeebohnen ein Vermögen und wird schließlich Leibarzt des Königs. Unsterblich aber macht ihn seine Sammelleidenschaft: Mehrere 10.000 Exponate bringt Sloane von seinen Reisen mit. Münzen, Knochen, Blumen, Insekten, Fossilien, Gemälde: Prinzipiell alles, was ihm in die Hände fällt, trägt er zusammen.
Im 17. Jahrhundert wollen die Reichen der Erde die Früchte ihres Sammelns eigentlich im stillen Kämmerlein genießen. Hans Sloane ist anders. Er will, dass seine Exponate der Allgemeinheit zu Gute kommen: ein damals geradezu revolutionärer Gedanke. Als Sloane 1753 im Alter von 93 Jahren in Chelsea stirbt, vermacht er alles dem Staat – unter der Bedingung, dass dieser zur Präsentation ein Museum baut.
Was gebührt der Wissenschaft?
Zunächst kommt Sloanes Hinterlassenschaft ins 1779 eröffnete British Museum, um dort nicht nur ausgestellt, sondern auch ergänzt zu werden. Schon bald wird das Haus für eine imperiale Großmacht, die mit den Beständen nicht zuletzt auch ihre koloniale Weltgeltung darstellen möchte, allerdings zu klein. Doch das Geld für einen Neubau ist zunächst knapp. Das ändert sich erst, als Queen Victoria 1840 ihren preußischen Cousin Albert heiratet. Der bringt eine sehr moderne Auffassung von Wissenschaft mit in die Ehe – und die Idee, den Stand des Wissens sowie die kommerzielle und intellektuelle Kraft Großbritanniens in einer Weltausstellung abzubilden. 1851 findet sie statt – und spült genug Geld in die Kassen, um daraus neben dem Science Museum und der Royal Albert Hall auch ein Naturkundemuseum zu finanzieren.
Der Gedanke eines Naturkundemuseums stößt trotzdem auch auf Widerstand. Gebührt nicht allein Gott ein kathedralenartiger Bau? Der Fortschrittsgedanke aber setzt sich letztlich durch: nicht zuletzt dank des Einsatzes von Sir Richard Owen. Der ist nicht nur ein führender Wissenschaftler seiner Zeit, sondern auch noch überaus gut vernetzt. Bis ins Parlament und an den Hof reicht sein Einfluss. Der Zoologe überzeugt die britische Regierung endgültig von dem Bau. Am 18. April 1881 wird das "Natural History Museum" in London eröffnet. Owen wird sein erster Direktor.
Über 300 Wissenschaftler täglich
Für die Entwicklung der naturwissenschaftlichen Moderne aber hat Owen einen entscheidenden Fehler: Er glaubt nicht an die Evolution. Er weiß, dass die Dinosaurier ausgestorben sind. Dies aber ist für ihn ein Teil der göttlichen Schöpfungsgeschichte. Mit Charles Darwin verbindet ihn deshalb eine starke Rivalität, die sich über Jahrzehnte auch im Erscheinungsbild des Museums widerspiegelt: mal darf Owens, mal Darwins Denkmal in der Eingangshalle des "Natural History Museums" thronen. Seit dem 200. Geburtstag Darwins 2009 scheint die Sache nun endgültig entschieden.
In der Nachkriegszeit droht der Stern des "Natural History Museums" zu sinken. Ab 1990 aber erfindet sich die Mutter aller Naturkundemuseen wieder neu. Heute ist das Haus mit einem zeitgemäßen Präsentationskonzept im digitalen Zeitalter angekommen – auch wenn natürlich noch immer ein publikumswirksames Dinosaurierskelett die riesige Eingangshalle dominiert. 70 Millionen Exponate hat das Museum zu bieten. Und jeden Tag kommen mehr als 300 Wissenschaftler, um sie zu erforschen.
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Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 18. April 1881 ebenfalls an die Eröffnung des "Natural History Museum". Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.