Sportler pushen ihre Leistung, seit es Leistungssport gibt. Bereits zur ersten Tour de France im Jahr 1903 etwa, einer mörderischen Strapaze über 2.428 Kilometer in nur sechs Etappen, gehen die Fahrer als rollende Apotheken an den Start. "Sie haben alles eingeworfen, was die Schmerzen erleichtert. Alles, von Kokain über Chloroform bis zu normalen Aufputschmitteln", berichtet die Sportjournalistin Evi Simeoni.
Je mehr Geld ins Spiel kommt, umso flächendeckender und raffinierter kommt Doping zum Einsatz - und alle machen mit: Athleten, Trainer, Funktionäre und Sportpolitiker. Bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul wird der umfassende Betrug vor aller Welt offenkundig: Als Ben Johnson das 100-Meter-Finale in der Fabel-Rekordzeit von 9,79 Sekunden gewinnt, ist er vollgepumpt mit Anabolika, wie der anschließende Dopingtest beweist.
Stiftungsurkunde in Bonn unterzeichnet
Das Internationale Olympische Komitee muss handeln, um die Glaubwürdigkeit des Sports nicht vollends zu ramponieren. Der Sprinterkönig wird disqualifiziert und 1993 als Wiederholungstäter lebenslang gesperrt. Doch es vergehen weitere sechs Jahre, bis auf IOC-Initiative die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA gegründet wird. Auf nationaler Ebene sollen unabhängige Einrichtungen die Umsetzung der von der WADA festgelegten Richtlinien übernehmen.
Angeführt von Bundesinnenminister Otto Schily unterzeichnen Vertreter aus Sport und Politik am 15. Juli 2002 in Bonn die Stiftungsurkunde der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA. "Ihre Aufgabe ist es, den Kampf gegen Doping zu koordinieren sowie Wettkämpfe und Trainings zu kontrollieren. Außerdem kümmert sich die Agentur um Forschung und Aufklärungsarbeit in Schulen und Vereinen", meldet die Tagesschau.
Harsche Kritik an NADA-Tätigkeit
Finanziell soll die Stiftung von Bund, Sportverbänden und Privatwirtschaft getragen werden. Damit unterscheidet sich die Nada von anderen nationalen Agenturen, deren Finanzierung meist allein in staatlicher Hand liegt. Namhafte Dopinggegner wie der Freiburger Molekularbiologe Werner Franke kritisierten massiv die Beteiligung der Sportverbände an der NADA, da von ihnen kein glaubhaftes Vorgehen zu erwarten sei. Wörtlich erklärt Franke: "Vom Sport gewählte Kontrolleure sind doch in sich selbst korrupt.“
Eine erste Bestandsaufnahme nach rund fünf Jahren offenbart tatsächlich gravierende Mängel. Experten beurteilen die NADA als ineffektiv, konzeptionslos, personell schlecht ausgestattet und chronisch unterfinanziert. "1,8 Millionen Euro im Jahr sind zu wenig, die Kontrollen kosten schon eine halbe Million Euro", räumt der damalige NADA-Vorsitzende Armin Baumert im WDR ein. "Wenn wir Kontrollen intelligenter gestalten wollen, brauchen wir im Ansatz das Doppelte.“
Die weiteren Aussichten: Düster
Doch am Geldmangel der Dopingbekämpfer ändert sich nichts – im Gegenteil: Ein Großsponsor nach dem anderen verabschiedet sich aus der NADA-Förderung. Als letzte namhafte Firma streicht Adidas seinen Beitrag in Höhe von 300.000 Euro ersatzlos. Die alte olympische Devise "schneller, höher, weiter" verspricht mehr Werbeeffekte als "Alles geben – nichts nehmen", wie das Motto der NADA lautet. Positive Dopingbefunde beschädigen im Zweifel nur die eigene Marke.
Seit dem Anti-Doping-Gesetz von 2015 müssen Athleten, die ihre Leistung auf betrügerische Weise steigern, mit drei Jahren Haft rechnen. Die Strafandrohung wirkt anscheinend. Bei rund 12.600 Wettkampf- und Trainingskontrollen der NADA im Jahr 2016 fielen nur 93 Befunde positiv aus. Professor Swen Körner von der Kölner Sporthochschule warnt jedoch, die kriminelle Energie des Doping-Systems zu unterschätzen: "Mit jeder verbesserten Nachweisanalytik wird der Anreiz gesetzt für neue innovative Dopingtechnologien." Auch Ex-NADA-Chef Armin Baumert blickt deshalb pessimistisch in die Zukunft: "Ich wage die Behauptung: Der Hochleistungssport wird nie von Doping frei sein.“
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 15. Juli 2017 ebenfalls an die Gründung der NADA. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
Stichtag am 16.07.2017: Vor 285 Jahren: Tod des britischen Freibeuters Woodes Rogers