Sein ganzes Leben lang hat Michel Piccoli nur darauf gewartet, den Papst zu spielen. So jedenfalls sieht es der Filmkritiker Serge Toubiana. Für ihn ist Piccolis letzte Hauptrolle als kindlich verzagter, zwischen der Panik vor der Bürde und den Zwängen des Amtes gefangener Greis in "Habemus Papam" der geniale Höhepunkt seiner 70-jährigen Karriere.
Auf ewig verbunden aber wird Piccoli mit dem Kultfilm "Die Verachtung" von Jean-Luc Godard. Da spielt der bereits 38-jährige schlanke Mann mit der hohen Stirn an der Seite von Brigitte Bardot einen feigen Ehemann. Der Film bringt dem französischen Schauspieler 1963 den internationalen Durchbruch.
Der Theateravantgarde verpflichtet
Geboren wird Piccoli am 27. Dezember 1925 als Sohn zweier Musiker in Paris. Seine Mutter entstammt einer politisch einflussreichen Industriellenfamilie – ein Milieu, das er von Kindheit an hasst und ihn wohl dazu bringt, für die kommunistische und pazifistische Linke aktiv zu sein. In den 1950er Jahren spielt Piccoli vor allem Theater, unter anderem in Stücken von Samuel Beckett und Luigi Pirandello. Später ist er der französische "Stellvertreter" im gleichnamigen Stück von Rolf Hochhuth und Thomas Bernhards "Minetti".
1944 gibt Piccoli sein Filmdebüt. 1968 spielt er in Alfred Hitchcocks Thriller "Topas". Er hat eine Affäre mit Romy Schneider und heiratet 1966 in zweiter Ehe Juliette Gréco, die ihn später als langweiligen Ehemann beschreiben wird. Danach ist er bis zu seinem Tod mit der Drehbuchautorin Ludivine Clerc verheiratet.
Zwischen Wutausbruch und Schabernack
Allein elf Mal spielt Piccoli mit Catharine Deneuve, etwa in "Herzklopfen" (1968). Sieben Filme dreht er mit Romy Schneider. Bei seinen Filmpartnerinnen genießt er den Ruf des respektvollen Gentleman. Seinem Publikum will er weniger gefallen als es beeindrucken. Und das gelingt ihm durch seine unglaubliche Wandlungsfähigkeit. Auf der Bühne und im Film sind seine ironische Eleganz ebenso legendär wie seine animalischen Wutausbrüche. Kollegen schätzen seine Loyalität und seinen Hang zum Schabernack.
Legendär wird auch Piccolis Auftritt im Skandalstreifen "Das große Fressen" (1973) des exzentrischen italienischen Regisseurs Marco Ferreri, in dem vier Freunde beschließen, durch Nahrungsaufnahme Selbstmord zu begehen.
"Wenn man ihn nicht extravagant ausübt, ist die Schauspielerei ein langweiliger Beruf", sagt Piccoli einmal. In den 1980er Jahren steht er wieder verstärkt im Theater auf der Bühne. Er stirbt 2020 in Saint-Philbert-sur-Risle.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 27. Dezember 2021 ebenfalls an den Geburtstag von Michel Piccoli. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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