Hisstorische Grafik, Portrait König von Bayern, Otto I.

11. Oktober 1916 - König Otto I. von Bayern stirbt

Stand: 11.10.2016, 00:00 Uhr

Am Fronleichnamstag 1875 wirft sich ein junger Mann während der feierlichen Messe in der Münchner Frauenkirche vor die Füße des Bischofs und bekennt lauthals seine Sünden. Dabei resultiert das öffentlich Gebeichtete weniger aus einem unchristlichen Lebenswandel als aus den Wahnvorstellungen des 27-Jährigen. Ein Eklat, der nicht nur das Hochamt unterbricht, sondern weitreichende Folgen hat: Der Eindringling ist der jüngere Bruder vom Ludwig II., König von Bayern.

Sein Sündenbekenntnis wird einer der letzten öffentlichen Auftritte des Wittelsbacher Prinzen sein. Künftig wohnt Otto I. gut bewacht von der Familie auf Schloss Fürstenried. Ärzte ordnen Eisduschen, harte Abreibungen, Moralpredigten und Morphiumgaben an. Doch Otto leidet weiter unter Halluzinationen, Angstattacken und Schreianfällen. König Ludwig II. lässt seinen Bruder schließlich entmündigen und muss sich von dem Gedanken verabschieden, er könne frühzeitig abdanken und das ungeliebte Amt an Otto übergeben.

Komplott oder Geisteskrankheit?

Als 1886 der kinderlose Märchenkönig Ludwig II. unter mysteriösen Umständen im Starnberger See stirbt, wird Otto I. zum König proklamiert. Da dieser aber wegen seines wirren Gemüts nicht regierungsfähig ist, übernimmt dessen Onkel Luitpold die Staatsgeschäfte. Einige bezweifeln, dass der König wirklich geisteskrank ist und wittern eine Verschwörung. "Entweder seien die Preußen dahinter oder Bismarck oder die nächste Verwandtschaft im bayerischen Königshaus, vor allem Prinzregent Luitpold", erklärt Historikerin Katharina Weigand die damals kursierenden Gerüchte. Dennoch regiert Luitpold für die kommenden 26 Jahre, danach übernimmt sein Sohn Ludwig III., während Otto I. bis zu seinem Tod von der Öffentlichkeit ferngehalten wird. "Bayerns unglücklichster König", wird später der Titel seiner Biografie lauten.

Geboren wird Otto von Wittelsbach 1848 mitten in der Revolution als zweiter Sohn von König Maximilian II. von Bayern und seiner Frau Marie von Preußen. Schon früh bemerkt die Familie, dass mit ihrem Jüngsten etwas nicht stimmt. Mit fünf Jahren soll er Stimmen gehört haben, die ihm Vorschriften gemacht und Aufträge erteilt haben sollen. Später entwickelt der Junge einen Waschzwang. Als Dreizehnjähriger sammelt er seine Exkremente in einem Gefäß. Dennoch gilt er als aufgeweckt und liebenswürdig, Frauen beschreiben ihn als charmanten jungen Mann.

Fast drei Jahrzehnte Schattenkönig

Nach dem Militärdienst - Otto kämpft 1866 gegen die Preußen - fällt er durch aggressives Verhalten auf. Das Gerücht vom "Jugendirresein" macht die Runde und Otto verschwindet hinter dicken Schlossmauern. Seine Mutter tritt auf Druck von Beratern zum katholischen Glauben über, um so Ottos Genesung herbeizuführen. Aber das erhoffte Wunder bleibt aus. Bis heute ist unklar, woran Otto I. leidet. "Die Mehrzahl der Mediziner glaubt heute, dass es eine Erkrankung aus dem schizophrenen Bereich gewesen ist", sagt Historikerin Weigand.

Nach dem Tod der Mutter kümmert sich aus der Familie nur noch die Cousine Therese, die ihn seit ihrer Jugend vergöttert, um den Schattenkönig. Sie notiert: "Du bist allein, vereinsamt das Gemüt. Dein junges Leben vor der Zeit verblüht." Fast drei Jahrzehnte ist Otto I. der unsichtbare König Bayerns, ohne jemals eine Stunde regiert zu haben. Er stirbt am 11. Oktober 1916, zwei Jahre bevor die bayerische Monarchie abgeschafft wird.

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