Er gilt als fantasievoll, aber menschenscheu: König Ludwig II. von Bayern lebt allein, nur umgeben von Dienern. Zu ihnen ist er abwechselnd herrisch und liebenswürdig. Gerne macht er nächtliche Ausfahrten in die Berge. Er sehnt sich nach einem Fleck Erde, "wo die moderne Kultur, Technik, Habgier und Hetze noch eine friedliche Stätte, weit vom Lärm, Gewühl, Rauch und Staub der Städte übrig gelassen hat". Auch sein Regierungsstil ist ungewöhnlich: Er arbeitet nachts und schläft tagsüber. Deshalb verkehrt er mit seinen Ministern fast nur noch schriftlich.
Geboren wird der Fürstensohn Ludwig Otto Friedrich Wilhelm zu Bayern am 25. August 1845 im Schloss Nymphenburg bei München. 18 Jahre später sitzt er auf dem Thron - ungenügend vorbereitet, wie er meint: "Ich bin überhaupt viel zu früh König geworden." Er habe "so schön angefangen", Staatsrecht zu lernen und sei plötzlich herausgerissen worden. Ludwig II. schwärmt für mittelalterliche Ideale und die Musik von Richard Wagner. Kaum ist der König im Amt, lässt er den 51-jährigen Komponisten nach München holen. Er stellt ihm zum Komponieren eine Villa und Geld zur Verfügung.
Richard Wagner wird ausgewiesen
Das Verhältnis zwischen Ludwig II. und Wagner wird immer enger. Als sich allerdings der Musiker in die bayerische Politik einmischt, erzwingen die Minister seine Ausweisung. Der Regent ist schockiert: "Nein, wir trennen uns nie! Mein Lebensnerv wäre abgeschnitten, grenzenloser Verzweiflung wäre ich preisgegeben, Selbstmordgedanken wären mir nicht ferne."
Zwischendurch drängt sich die Politik in das königliche Leben: 1866 zieht Bayern an der Seite Österreichs in den Krieg gegen Preußen, verliert jedoch und büßt deshalb Teile seiner Souveränität ein. Vier Jahre später kämpfen die Preußen gegen die Franzosen und gewinnen erneut. Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck ist am Ziel: 1871 wird das Deutsche Reich gegründet. Für Ludwig II. hat Bismarck die Rolle vorgesehen, dem Preußenkönig Wilhelm I. die Kaiserkrone anzutragen - eine Demütigung für den stolzen Bayern.
Traumwelten aus Stein
Privat läuft es für Ludwig II. ebenfalls nicht gut. Auf Druck seiner Familie hat der König sich mit seiner Cousine Sophie verlobt, der jüngeren Schwester der österreichischen Kaiserin Sisi. Ludwig liebt aber eigentlich Richard Hornig, einen 26-jährigen Zureiter im königlichen Stall. Darum wird die Verlobung wieder gelöst. Ludwig beginnt, Traumwelten zu bauen. Ab 1869 entstehen drei Schlösser: die mittelalterliche Ritterburg Neuschwanstein, das Rokoko-Palais Linderhof und die Versailles-Kopie Herrenchiemsee. Der 1,90 Meter große, einst schlanke Mann wird immer beleibter. Den Gestank seiner verfaulten Zähne überdeckt er mit Parfüm. Er gibt Gelage, lässt sich junge Männer zuführen.
Schließlich geht ihm das Geld aus, Regierung und Familie stoppen ihn. Ein ärztliches Gutachten bescheinigt dem König paranoide Schizophrenie - ohne, dass man ihn dafür untersucht hätte. In der Nacht zum 13. Juni 1886 wird Ludwig II. verhaftet und nach Schloss Berg am Starnberger See gebracht. Vom abendlichen Spaziergang mit seinem Arzt kehrt er nicht zurück. Die Leichen der beiden werden gegen 23 Uhr im Wasser entdeckt. Es wird vermutet, dass der aufgebrachte König seinen Arzt getötet und anschließend sich selbst umgebracht hat. Gerüchten zufolge ist Ludwig jedoch ermordet worden. Beweise gibt es nicht, das Haus Wittelsbach hält Archiv und Sarg unter Verschluss.
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