Die Sonne brennt, die Luft ist schwül - im 19. Jahrhundert mag sich im Sommer kaum jemand in einen unklimatisierten Theatersaal setzen. Das beklagt zumindest der Komponist Karl Friedrich Zelter in einem Brief, den er am 31. Juli 1821 an seinen Freund Johann Wolfgang von Goethe - gemäß damaliger Ortografie - schreibt: "Unser Theater ist jetzt wieder lavirend, wie immer in der Sauergurkenzeit." Darüber, wie der heutige Begriff "Sauregurkenzeit" entstanden ist, gibt es verschiedene Versionen. Manche behaupten, es handele sich um ein Scherzwort von Berliner Kaufleuten: In der ereignisarmen Zeit des Sommers gedeihen nur die Spreewälder Gurken, aber nicht die Geschäfte.
Eine andere Version favorisiert Christoph Gutknecht 2012 in der Wochzeitung "Jüdische Allgemeine". Demnach hat der Begriff ursprünglich nichts mit Gurken zu tun: "Die 'Zores- und Jokresszeit' bezeichnet im Jiddischen die Periode der Leiden und der Teuerung." Den Rest habe der Sprachwandel bewirkt. Aus den jidischen Worten "zóre" (Sorge, Not) und "jóker" (teuer) sei im Deutschen schließlich die vertrauter klingende Begriff "Sauregurkenzeit" geworden.
Mediale Nachrichtenflaute
Mittlerweile steht der Ausdruck Sauregurkenzeit vor allem für eines: die Nachrichtenflaute in den Medien während der Sommermonate. Politiker, Sportler, andere Prominente - alle sind im Urlaub. Worüber soll bloß berichtet werden? Im Sommer 1994 schafft es ein Krokodil sogar in die "Tagesthemen": "Nach dem schottischen Ungeheuer von Loch Ness gibt es jetzt im Rheinland das Ungeheuer von Loch Neuss", sagt Moderator Ulrich Wickert. Der Kaiman Sammy war seinem Besitzer auf einem Badeausflug an einem Baggersee in Dormagen entwischt. Das Gewässer wird tagelang gesperrt, Reporterteams aus dem ganzen Bundesgebiet rücken an.
Hobbyjäger Guido Schenk aus Dormagen erinnert sich: "Es wurde geballert und geschossen, und einer sagte, da schwimmt ein Hautfetzen, und wir waren überzeugt, wir hätten Sammy erlegt." Die Medien berichten über den angeblichen Erfolg, bis Sammy lebend gesichtet wird. Erst zwei Tage später ziehen Taucher das 70 Zentimeter lange Tier mit bloßen Händen aus dem Wasser.
Tiere und Politiker gehen immer
2006 macht Trauerschwan Petra vom Aasee in Münster Schlagzeilen. Sie hat sich in ein weißes Tretboot verliebt, dem sie nicht mehr von der Seite weicht. Selbst das japanische Fernsehen dreht eine Story über den schwarzen Schwan. Die ungewöhnliche Liebe beschäftigt auch Fachleute. Im Zoo Münster soll Petra einen artgerechten Umgang erlernen. Doch selbst sechs stattliche Schwäne können Petra nicht davon überzeugen, ihr favorisiertes Tretboot zu verlassen.
Auch Politikerverfehlungen sind beliebte "Sommerloch"-Füller. So macht sich zum Beispiel Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) zum Gespött, als sie im Sommer 2009 im spanischen Alicante privat Urlaub macht und für zwei dienstliche Termine ihre Limousine samt Fahrer aus Deutschland kommen lässt. Doch damit nicht genug: Der Wagen wird ihr auch noch gestohlen. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) kann sich als politischer Gegner der Ministerin ein Lachen nicht verkneifen: "Das is scho a Pech, gell!"
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Stichtag am 01.08.2016: Vor 80 Jahren: 11. Olympische Sommerspiele in Berlin eröffnet