Die Sympathie der deutschen Fans für ihre Nationalmannschaft kühlt vor der Europameisterschaft 2004 deutlich ab. "Rumpelfußball" schimpfen die Kommentatoren über mühsame Siege und Remis gegen unterklassige Gegner. Als die DFB-Elf schon in der Vorrunde der EM ausscheidet, tritt Teamchef Rudi Völler im Juni 2004 zurück.
Eine Findungskommission soll die Nachfolge schnellstens klären. Ein Top-Trainer muss her, der die DFB-Elf neu organisiert für die WM 2006 im eigenen Land. Doch alle Wunsch-Kandidaten winken ab. Am 29. Juli 2004 präsentiert DFB-Chef Gerhard Mayer-Vorfelder einen Bundestrainer, mit dem keiner gerechnet hat: Jürgen Klinsmann.
Sonnyboy auf heikler Mission
Als Club- und Nationalstürmer hat Klinsmann alles erreicht. Er war Welt- und Europameister, hat die deutsche Meisterschaft, den DFB-Pokal und zwei Uefa-Cups gewonnen. Am Karriereende in die USA abgewandert, übernimmt der ausgewiesene Individualist ohne Trainererfahrung einen Tag vor seinem 40. Geburtstag seine heikelste Mission.
Die Erwartungen an den braungebrannten Sonnyboy sind extrem hoch. Gerade zwei Jahre bleiben Jürgen Klinsmann und seinem Co-Trainer Joachim Löw, um den "Rumpelfußballern" im Nationaltrikot bis zur WM wieder Spielkultur und Angriffslust einzuimpfen. Dafür hat sich der neue Bundestrainer beim DFB weit reichende Kompetenzen ausbedungen.
Nach amerikanischem Vorbild installiert Klinsmann einen Trainerstab aus Experten für jeden Bereich. Er schickt mit Torwart-Trainer Sepp Maier eine Legende aufs Altenteil, und stellt statt Oliver Kahn Jens Lehmann zwischen die Pfosten. In Verteidigung, Mittelfeld und Angriff setzt er auf die Jungen: Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski.
Ausgebrannt nach nur zwei Jahren
Klinsmann, der Trainer ohne Erfahrung, erweist sich als glänzender Motivator. Offensiv aufgestellt begeistert die neu formierte DFB-Mannschaft durch schnelles Spiel und Torgefährlichkeit. Bei der WM 2006 gewinnt sie erstmals nach 1970 wieder alle Gruppenspiele. Erst im Halbfinale unterliegt Deutschland gegen Italien und wird Dritter.
Trotz des geplatzten Titeltraums feiert Deutschland seine neuen Fußballhelden euphorisch. Und ist umso überraschter, als der Bundestrainer 48 Stunden später zurücktritt. "Ich habe in den zwei Jahren sehr viel Kraft gelassen und fühle mich innerlich einfach ausgebrannt", erklärt Klinsmann seinen Entschluss. Joachim Löw übernimmt und führt den rasanten Aufstieg der Mannschaft fort, die es ohne Jürgen Klinsmann nicht gegeben hätte.
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