In NRW wird er oft "Bruder Johannes", "Menschenfischer", "Versöhner" genannt - der Sozialdemokrat Johannes Rau glaubt an die Einheit von Politik und Moral. Geboren wird er am 16. Januar 1931 in Wuppertal als Sohn eines Predigers. Er wächst mit vier Geschwistern im Arbeiterviertel Barmen auf.
Johannes geht zum Bibelkreis und zur "Hitler-Jugend". Er liebt Lesen und Theaterspielen, die Schule nicht so sehr. Er macht eine Verlagslehre, wird Lektor und Journalist, schreibt über Kultur und Kirche, engagiert sich in der Jugendarbeit. Er ist überzeugt, dass "christlicher Glaube die Welt verändern muss".
Schnelle Karriere
Aus Protest gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik tritt Rau in die von Gustav Heinemann mitbegründete "Gesamtdeutsche Volkspartei" (GVP) ein. Doch die löst sich 1957 mangels Erfolg auf. Rau wechselt zur SPD, wo er schnell Karriere macht: Ab 1968 im Landtag von NRW und ein Jahr später als Oberbürgermeister von Wuppertal.
1972 macht ihn Ministerpräsident Heinz Kühn (SPD) zum Wissenschaftsminister. Er, der nicht studiert hat, reformiert das Hochschulwesen des Landes. 1977 wird Rau SPD-Landesvorsitzender, ein Jahr später ist er NRW-Ministerpräsident. Seine größte Aufgabe: der Strukturwandel bei Kohle und Stahl.
Niederlage gegen Kohl
Seine Politik ist geprägt durch sein Motto: "Versöhnen statt spalten." Als Landesvater ist er bodenständig, unkompliziert und gesellig. Eine eigene Familie gründet er spät. 1982 heiratet der 51-Jährige Christina Delius, Enkeltochter von Gustav Heinemann. Das Paar bekommt drei Kinder.
1987 scheitert Rau als Kanzlerkandidat gegen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU). Eine bittere Niederlage, aber kein Grund, ans Aufhören zu denken. Diese Frage stellt er sich erst später.
Das erste Mal nach dem Attentat auf Oskar Lafontaine, als die Attentäterin laut Rau gesagt habe: "Eigentlich wollte ich ja den Rau töten." Und das zweite Mal nach dem Anschlag in Solingen. "Das hat doch alles keinen Zweck, lass es sein", habe er sich gesagt. Doch Rau macht weiter.
An die Staatsspitze
Nach 20 Jahren gibt er sein Amt als NRW-Ministerpräsident auf und wird 1999 zum Bundespräsidenten gewählt. In dieser Funktion spricht er im Februar 2000 als erster deutscher Politiker vor der Knesset, dem israelischen Parlament, und sagt den historischen Satz: "Ich bitte um Vergebung für das, was Deutsche getan haben."
Eine zweite Amtszeit lehnt Rau ab. 2004 muss er sich einer Herzoperation unterziehen, von der er sich nicht mehr vollständig erholt. Er stirbt mit 75 Jahren am 27. Januar 2006 in Berlin.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 16. Januar 2021 ebenfalls an Johannes Rau. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
Stichtag am 17.01.2021: Vor 75 Jahren: Konstituierende Sitzung des UN-Sicherheitsrates