Als Kind spielt Gil Mehmert "Jesus Christ Superstar" auf dem heimischen Spieleboden. Während das Rock-Musical im Radio erklingt, trommelt er den Rhythmus "mit selbst gebastelten Schlagzeugelementen" auf dem Heizkörper mit. "Ich und meine älteren Brüder waren eigentlich ziemlich elektrisiert", sagt der Regisseur, der "Jesus Christ Superstar" auch in Bonn und Dortmund im Jahr 2014 endlich auf die Bühne bringt. Alle 17 Vorstellungen und die vier Zusatzvorstellungen sind innerhalb von drei Tagen ausverkauft.
Für Mehmert ist die von Andrew Lloyd Webber vertonte und von Tim Rice getextete Geschichte von Jesus, der als Fundamentalist der Anführer einer eher politisch-revolutionären Bewegung ist und zwischen Hoffnungen, Forderungen und menschlichen Schwächen aufgerieben wird, eigentlich die Geschichte "eines Opfers seiner eigenen Bewegung“. Ein Superstar jedenfalls ist Jesus Christus im Musical tatsächlich nicht.
Tod als Überlebensstrategie
1970 veröffentlichen Rice und Webber ein Konzeptalbum mit dem Titel "Jesus Christ Superstar". Damit sind sie auf Anhieb so erfolgreich, dass sie planen, daraus ein Musical zu machen. Ihr Stück schafft es sofort ins renommierte New Yorker Mark Hellinger Theatre an den Broadway. Am 12. Oktober 1971 ist Premiere. Gerade einmal Anfang 20 sind der Texter und der Komponist, für die das Stück den absoluten Durchbruch bedeutet. 1973 kommt die Verfilmung in die Kinos.
Mit seiner Handlung trifft "Jesus Christ Superstar" genau den Zeitgeist. Das liegt aber nicht nur daran, dass sich in den USA in der Gestalt der "Jesus People" gerade Religion und Flower-Power verschwistert haben. Auch der Umstand, dass Rice sich zwar eng an die Geschichte in der Bibel hält, bei seiner Version aber den Verräter Judas stark betont, liegt voll im Trend. "Judas ist ja der, der in diesem großen Hit 'Jesus Christ Superstar' Jesus noch mal provokant infrage stellt", sagt Regisseur Gil Mehmert. "Und betont, dass er ja eigentlich keine andere Wahl hat, als seinen Tod zu inszenieren, um langfristig Wirkung zu haben."
Erfolg in Münster
In Deutschland findet die Premiere von "Jesus Christ Superstar" im Februar 1972 ausgerechnet im katholischen Münster statt. "Ich hoffe auf und rechne mit gesunden Protesten", sagt Hauptdarsteller Reiner Schöne damals. Darauf aber wartet er vergeblich. Die Kritik an einer vermeintlich zu starken Kommerzialisierung eines christlichen Themas fällt recht verhalten aus. Die konservativen Besucher in Münster sind sehr aufgeschlossen. "Mir ist die Bewegung dieser jungen Leute sehr sympathisch – wie sie sich zu Jesus bekehren außerhalb der Kirche", sagt etwa eine Besucherin in der Halle Münsterland. Und ein Religionslehrer ist gekommen, "weil ich der Jesus-Bewegung eine gewisse Bedeutung beimesse". Tatsächlich flaut die Bewegung selbst bald wieder ab. "Jesus Christ Superstar" hingegen begeistert bis heute.
Tim Rice und Andrew Lloyd Webber feiern schon bald mit "Evita" (1976) ihren nächsten großen Erfolg. Für ihre Karriere ist "Jesus Christ Superstar" nur der Startschuss.
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