Ein Sommer in Nordfrankreich, Ende der 1840er Jahre. Jacques Boucher de Perthes spaziert an der Somme entlang. "Eines Tages werde ich Spuren des Menschen vor der Sintflut finden." Immer wieder hebt er Steine auf.
"Die menschliche Arbeit an den Steinen ist sichtbar für jedermann", ist sich der Mann mit dem lockigen Haar sicher. "Ich aber bin es allein, der sie erkennt." Das ist sein Problem: Denn so recht nimmt ihn niemand ernst.
Günstling Napoleons
"Er war einfach kein Wissenschaftler", sagt Professor Jean-Jacques Hublin, Leiter des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Dennoch sei er ein Pionier. "Seine Publikationen stehen am Anfang der prähistorischen Wissenschaften in West-Europa."
Geboren wird Boucher de Perthes am 10. September 1788 in Rethel, ein Jahr vor der Französischen Revolution. Er macht als Offizier beim Zoll rasch Karriere und versucht sich als Dichter. Von Napoleon I. wird er zu diplomatischen Missionen geschickt.
Vermischung von Wissenschaft und Religion
Nach Napoleons Niedergang wird Boucher de Perthes als Zollbeamter in die nordfranzösische Provinz versetzt. Dort wird wie überall während der Industriellen Revolution viel gebaut. Die dafür ausgehobenen Kiesgruben entlang der Flüsse legen tiefer liegende Gesteinsschichten offen.
"In diesen Gruben finden sich Knochen ausgestorbener Tiere, die es in Europa heute nicht mehr gibt", sagt Professor Hublin. Die Theorie von Boucher de Perthes: All diese Kreaturen sind durch die in der Bibel genannte Sintflut ausgelöscht worden.
Faustkeile entdeckt
Zwischen den Tierknochen findet er Faustkeile - die frühesten Werkzeuge der Menschheit. Es dauert Jahrzehnte, bis auch andere erkennen, dass es sich dabei um Spuren von Menschen handelt.
Boucher de Perthes hofft, auch Knochen dieser Vorzeitmenschen zu finden. Er lässt graben. "Er hat 200 Franc ausgelobt für den, der ihm einen menschlichen Knochen bringt", so Professor Hublin. "Das waren drei Monatsgehälter für einen Arbeiter."
Unterkiefer jüngeren Datums
Prompt wird Boucher de Perthes ein Unterkiefer präsentiert - der angeblich aus den gleichen Schichten wie die Faustkeile stammt. Wenig später stirbt der Forscher am 5. August 1868 mit 80 Jahren.
Der Unterkiefer entpuppt sich als jüngeren Datums. Vielleicht kommt er sogar vom Friedhof in Abbeville, auf dem Boucher de Perthes' Grabstein steht.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 5. August 2018 ebenfalls an Jacques Boucher de Perthes. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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