Los Angeles, Kalifornien, 1972. Im Sportstadion "Memorial Coliseum" haben sich 120.000 Menschen versammelt, um bei einem Musikfestival der Unruhen im schwarzen Stadtteil Watts zu gedenken, bei dem es sieben Jahre zuvor Tote und Verletzte gegeben hat. Es ist die größte Versammlung von Afroamerikanern seit der berühmten Rede von Martin Luther King in Washington 1963. Jetzt steht der Bürgerrechtler Jesse Jackson auf der Bühne, um das Highlight des Tages anzukündigen: Isaac Hayes.
Ein schwerer, muskulöser, bärtiger Mann tritt auf die Bühne, und als Jackson ihm den Hut abnimmt, kommt als eines seiner Markenzeichen seine blank polierte Glatze zum Vorschein, die schon sein legendäres Debütalbum "Hot Buttered Soul" (1969) zierte. Im goldenen Kettenhemd singt Hayes dann seinen Song zum Film über den coolen schwarzen, von Richard Roundtree gespielten Privatdetektiv "Shaft" (1971), den jeder im Stadion kennt. "Who’s the black private dick that's a sex machine to all the chicks?", heißt es darin – ein Jargon, der wie das Outfit die Hiphop- und Rap-Szene der afroamerikanischen Subkultur vorwegnimmt. Und ihm einen Oscar einbringt.
Hitmaschine für Sam and Dave
Geboren wird Hayes am 20. August 1942 in Covington, Tennessee: einem Vorort der Blues-Hochburg Memphis. Als er anderthalb Jahre alt ist, stirbt seine Mutter, der Vater flieht vor der Verantwortung und lässt ihn bei der Großmutter zurück, die ihm Jobs auf den Baumwollplantagen besorgt. Mit ihr singt er in der Kirche Gospels, die Schule bricht er ab, weil er Sänger werden will. 1964 bekommt er als Teil der Hausband des Labels "Stax Records" die Chance, mit Stars wie Otis Redding oder Wilson Pickett zu spielen. Nebenbei schreibt er gemeinsam mit David Porter Hits für andere Künstler, so 1966 "Hold on, I'm Coming" und ein Jahr später "Soul Man", beide für Sam and Dave.
"Soul Man" handelt von einem Arbeiter, der für seine harte ehrliche Arbeit Respekt verlangt. Und vom Soul, der sich selbstbewusst mit den Wurzeln der afroamerikanischen Kultur beschäftigt. Für Hayes ist dieser Aspekt besonders wichtig – als Martin Luther King ermordet wird, trauert er mehrere Monate.
Aus Soul wird Disco
Musikalisch etabliert Hayes mit "Hot Buttered Soul" einen ganz eigenen Stil, der nach der Goldkette auf dem Cover bald "Love Soul" genannt wird: teils funky und sexy, teils psychodelisch und orchestral, mit langen epischen Einleitungen ohne Gesang und bombastisch arrangierten Bläsersätzen. Mit "Black Moses" (1971), dessen Cover ihn mit segnenden Armen in einem wallenden Gewand zeigt, wird er endgültig zur Leitfigur vieler Afroamerikaner: stolz und stark, mit messianischer Aura.
Privat hat Hayes zwölf Kinder mit vier Frauen. In den 70er Jahren tendieren seine Songs immer mehr zum Diso-Stil. 1977 verliert Hayes im Zuge des Konkurses seiner Plattenfirma alle Musikrechte und geht bankrott. Er hält sich als Schauspieler unter anderem in Serien wie "Detektiv Rockford" oder "Miami Vice" oder als Synchronsprecher des Schulkochs in "South Park" über Wasser. Mit dem Seriensong "Chocolate Salty Balls" schafft er 1998 noch einmal einen Nummer-Eins-Hit. Als sich "South Park" auch über Scientology lustig macht, steigt er 2006 aus. Zwei Jahre später stirbt Hayes an den Folgen eines Schlaganfalls.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 20. August 2017 ebenfalls an Isaac Hayes. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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