Mit gerade einmal 17 Jahren gewinnt Helene Mayer 1928 bei den Olympischen Spielen in Amsterdam die Gold-Medaille im Florettfechten. Die junge sympathische Offenbacherin wird über Nacht zum Star, Reichspräsident von Hindenburg bittet zum Tee, ihre Heimatstadt empfängt sie mit großen Jubel.
Hochgewachsen, blond und blauäugig entspricht Helene Mayer dem teutonischen Ideal. "Wahre Lobhymnen wurden auf sie gehalten als eine arische Vorzeigesportlerin", erzählt der Potsdamer Sporthistoriker Berno Bahro.
Ein sportliches Ausnahmetalent
Geboren wird Helene Mayer am 20. Dezember 1910 als Tochter eines angesehenen jüdischen Arztes in Offenbach. Die Mutter ist evangelisch. Helene genießt eine standesgemäße Erziehung mit Ballett, Schwimmen, Skifahren und Fechten.
Schon als Schülerin gewinnt sie ihre ersten deutschen Meistertitel im Fechten, dann Olympia-Gold in Amsterdam. Vier Jahre später in Los Angeles erreicht Mayer jedoch nur den fünften Platz. Wahrscheinlich hatten der Tod ihres Vaters und ihres Freundes, der zuvor auf einem Schiff verunglückte, ihr zugesetzt.
Hitlers Alibi-Jüdin
Als Hitler ein Jahr später an die Macht kommt, studiert Helene Mayer in den USA. Die "Halbjüdin" verliert ihr deutsches Stipendium, ihr Heimatverein streicht sie von der Mitgliederliste. Trotzdem träumt sie von einer Olympia-Teilnahme in Berlin. "Ich wollte immer zurück nach Deutschland. Wer einmal bei Olympischen Spielen dabei war, wird das verstehen."
Als die USA mit Boykott drohen, wenn die Nationalsozialisten keine jüdischen Sportler zulassen, wird Mayer mit der jüdischen Hochspringerin Gretel Bergmann für die Spiele nominiert. "Ich harmloses Wesen wurde auf einmal als Mittelpunkt des olympischen Streits angesehen, bekam viele Telegramme, die einen hetzten, die anderen gratulierten", sagt die Fechterin später.
Mit erhobenem rechten Arm auf dem Podest
Gretel Bergmann wird der Start am Ende verweigert. Mayer darf als "Halbjüdin" antreten und gewinnt die Silbermedaille. Die Bilder der Sieger-Ehrung gehen um die Welt. Wie alle deutschen Sieger auf dem Podest, erhebt auch sie den rechten Arm zum deutschen Gruß.
"Das hat ihr die jüdische Community nicht verziehen", so Sporthistoriker Bahro. Nach den Spielen lässt Nazi-Deutschland sie fallen. Als sie ein Jahr später in Paris Weltmeisterin wird, verschweigt die gleichgeschaltete Presse ihren Erfolg. Helene Mayer wird US-Bürgerin und kehrt erst 1952 nach Deutschland zurück, wo sie ein Jahr später mit nur 42 Jahren an Krebs stirbt.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 20. Dezember 2020 ebenfalls an Helene Mayer. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
Stichtag am 21.12.2020: Vor 5 Jahren: Zürich FIFA: Blatter und Platini werden für acht Jahre gesperrt.