Mit seinem angeklebten Schnurrbart imitiert der Komiker Harold Lloyd am Anfang Charlie Chaplin. Dann entwickelt er mit runder Hornbrille, Strohhut und Anzug den "Glasses Charakter", der zu seinem Markenzeichen wird. Lloyd ist nicht länger der komische Außenseiter, sondern der typisch amerikanische Angestellte, der nach allerlei komischen Situationen und spektakulären Stunts sein Ziel erreicht.
Mit diesem völlig neuen, schüchtern-erfolgreichen Figurentypus avanciert Lloyd in den USA neben Chaplin und Buster Keaton zum erfolgreichsten Komiker der Stummfilmzeit.
"Verrückt nach der Bühne"
Geboren wird Lloyd 1893 in der 300-Seeen-Gemeinde Burchard im US-Bundesstaat Nebraska. Im Gegensatz zu Chaplin und Keaton wird er in kleinbürgerlichen Verhältnissen groß. Geprägt ist seine Jugend trotzdem von Unrast: Seit Lloyd ein Jahr alt ist, ziehten die Eltern mit ihm und dem fünf Jahre älteren Bruder auf der Suche nach Arbeit fast im Jahresturnus um. In seiner Autobiografie beschreibt sich Lloyd schon damals als absoluten Durchschnittstypen, allerdings mit starkem Ehrgeiz und klarer Ausrichtung: "So lange ich zurückdenken kann, war ich verrückt nach der Bühne."
Als Junge jobbt Lloyd bei Wandertheatern als Kartenverkäufer. Nebenbei besucht er die School of Dramatic Art in San Diego und steht mit zwölf Jahren erstmals auf der Bühne. 1913 hat er im Film einer durchziehenden Produktionsfirma seine erste kleine Nebenrolle. Kurz darauf geht er nach Los Angeles und versucht, mit Aushilfsjobs in den Studios Fuß zu fassen. Dort stößt er auf den berühmten Produzenten Hal Roach, mit dem zusammen er seine komische Figur entwickelt.
Typus des Ab- und Aufsteigers
Nach seinem Debüt mit einem abendfüllenden Kinofilm "Matrose wider Willen" (1921) geht es mit Lloyds Karriere steil bergauf. In "Mädchenscheu" (1924) muss er als schüchterner Stotterer seine große Liebe erobern, in seinem größten kommerziellen Erfolg "Der Sportstudent" (1925) kämpft er in einem Footballteam um Anerkennung – und erreicht am Ende immer sein Ziel. Dieses Pendeln zwischen Absturz und Aufstieg ist in der wohl berühmtesten Stuntszene Lloyds augenfällig gemacht: In der so genannten Thrill-Comedy "Ausgerechnet Wolkenkratzer!" (1923) hängt der Schauspieler in scheinbar schwindelerregender Höhe an einer Uhr, die aus der Verankerung zu brechen droht – und kommt schließlich doch oben an, wo sein Mädchen wartet.
So erfolgreich Lloyd in den USA auch ist: Beim Publikum und der Kritik in Europa fällt er im Vergleich zu Chaplin oder Keaton durch. Und auch in Amerika beginnt sein Stern im Zuge der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren allmählich zu sinken – auch wenn er als einer der wenigen Stummfilmstars den Wechsel zum Ton zunächst unbeschadet übersteht. Der Typus des schüchternen Aufsteigers kommt in der veränderten US-Gesellschaft mit ihrer Arbeitslosigkeit und Armut nicht mehr an. In den 40er Jahren zieht sich Lloyd deshalb fast gänzlich zurück – auch wenn er für seine Verdienste als "guter Amerikaner" 1953 den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk erhält. Lloyd stirbt am 8. März 1971 in Beverly Hills.
Stand: 08.03.2016
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