Großes Weinfass, Heidelberg

Im August 1751 - Größtes Weinfass der Welt fertiggestellt

Stand: 21.08.2016, 00:00 Uhr

Größe zählt. Das wissen die Reichen und Mächtigen bis in unsere Tage. So lässt der russische Öl-Milliardär Roman Arkadjewitsch Abramowitsch Anfang des Jahrtausends seine 340 Millionen teure Yacht "Eclipse" zwei Mal verlängern, damit sie die gleichzeitig gebaute "Dubai" des Scheichs Muhammad bin Raschid Al Maktum an Ausmaß übertreffen möge. Der Wettkampf hat zur Folge, dass beide Schiffe keinen normalen Hafen mehr anlaufen können und in Industriegebieten vor Anker gehen müssen.

Ein Fass ohne Boden

Die Gigantomanie der frühen Neuzeit sucht sich andere Objekte. Weinfässer zum Beispiel. Auf deutschem Boden liefern sich pfälzische und sächsische Kurfürsten über Jahrhunderte aufreibende und kostspielige Machtkämpfe um das größte Holzbehältnis. Für das Heidelberger Schloss sind insgesamt vier "Große Fässer" überliefert, von denen Johann Casimir 1591 das erste in Auftrag gibt. Das letzte wird unter Kurfürst Karl Theodor vollendet und im August 1751 vorgestellt. 90 Eichen müssen dafür fallen, 221.726 Liter Wein haben darin Platz: Über 26.000 Liter mehr als im Fass von Johann Casimir.

Das letzte "Große Heidelberger Fass" wird allerdings nur drei Mal befüllt, denn es hat, wie auch die Fässer der sächsischen Konkurrenz, einen entscheidenden Schönheitsfehler: Es ist nicht dicht. Das ist vielleicht auch gut so, denn der Inhalt ist ohnehin kaum genießbar: Um das Volumen auszufüllen, wird alles hineingepanscht, was die Rebstöcke der Umgebung hergeben.

Ein Narr als Wächter

Die Sachsen lassen ihr unbrauchbares Holzbehältnis verrotten. Anders die Heidelberger: Die machen ein Riesenfass auf, um ihre Attraktion erfolgreich zu vermarkten. Kurzerhand setzen sie einen Tanzboden oben drauf und finden in dem Hofnarren Perkeo eine Figur, die dem eher schlichten Antlitz der Holztonne ein schillerndes Gesicht gibt. Der ebenso kleinwüchsige wie trinkfeste Perkeo wird zum Hüter des Fasses ernannt. Noch heute steht eine Holzfigur Perkeos neben dem Behältnis. Angeblich stirbt der Kampftrinker, als er zum ersten Mal Wasser kostet: Seine Säuferleber soll dies nicht ausgehalten haben.

Ob derlei Anekdoten stimmen oder nicht: Auch sie tragen zum weltweiten Ruhm des Heidelberger Fasses bei. Der französische Schriftsteller Victor Hugo erzählt sie nach einem Besuch des Heidelberger Schlosses 1840 nach. Und in Herman Melvilles Roman "Moby Dick" wird das Fass gar mit der Größe von Walen verglichen. Auch Mark Twain, Washington Irving oder Jules Verne verewigen es in Reiseschilderungen und Romanen. In Deutschland avanciert es vor allem zum Symbol für Deutschtümelei, weil sich die Nationalbewegung oft im Schlosskeller die Kante gibt. "Aus Gemütes Tiefen quillt er, / Deutscher Hass! Doch riesig schwillt er, / Und mit seinem Gifte füllt er / Schier das Heidelberger Fass", dichtet Heinrich Heine.

Heute besuchen jährlich rund eine halbe Million Touristen das "Große Heidelberger Fass". Das Symbol von Überheblichkeit und Versagen ist immer noch ein Goldesel.

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 21. August 2016 ebenfalls an das größte Weinfass der Welt. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

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