Muslime in aller Welt verehren sie als "Herrin der Frauen", als "Strahlende" und "Augapfel des Herrn aller Geschöpfe". Gemeint ist Fatima bint Muhammad, die jüngste Tochter des Religionsstifters Mohammed und seiner ersten Frau Ḫadiǧa. Ihre vielen Beinamen spiegeln das religiös überhöhte Bild einer reinen Jungfrau und Fürsprecherin im Paradies, obwohl sie die Mutter zweier Söhne war.
Fatima wird damit im Islam und besonders von den Schiiten eine Bedeutung verliehen, wie sie im Christentum Maria, der Mutter Jesu, zukommt – für Bärbel Beinhauer-Köhler eins der faszinierendsten Phänomene der Religionsgeschichte: "Maria ist die einzige Frau, die im Koran namentlich erwähnt wird, und zwar nicht zu knapp", erklärt die Marburger Religionswissenschaftlerin. Fatima dagegen, die Tochter des Propheten, werde im Koran kein einziges Mal erwähnt.
Mutter der einzigen männlichen Nachkommen Mohammeds
Die Geburt Fatimas wie ihre ganze Biografie hat die Religionswissenschaft bis heute kaum entschlüsseln können. "Ziemlich klar belegt ist aber", so Hatun al-Fasi, Professorin an der König Saud-Universität in Riad, "dass die Beteiligung von Frauen in Politik, Wirtschaft und sozialem Leben zu Zeiten Mohammeds reger war als heute. Erst in der Gegenwart sehen wir, dass Frauen an den Rand gedrängt wurden." Frühislamische Quellen etwa berichten von Fatimas Mutter Ḫadiǧa als selbstständiger Kauffrau und Betreiberin einer Karawanserei. "Sie war wohl Witwe und hat diesen jungen Mann geheiratet, der in ihrem Unternehmen arbeitete", sagt Bärbel Beinhauer-Köhler. Vermutlich habe sie ihm sogar die Ehe angetragen, war also die dominante Figur. "Sie war älter als Mohammed und hat ihn wirtschaftlich protegiert."
Fatima ist eines von acht Kindern, die Ḫadiǧa dem Propheten gebar. Zeitlebens hat sie eine enge Beziehung zum Vater, der ihr in religiösen Angelegenheiten jedoch keine besondere Rolle zuweist. Den Quellen zufolge werben Abu Bakr und ʿUmar, später die ersten beiden Kalifen, um Fatimas Hand. Sie werden aber von Mohammed zu Gunsten des viel jüngeren ʿAli abgelehnt. In ʿAli, dem späteren vierten Kalifen, sehen die Schiiten den alleinigen rechtmäßigen Nachfolger Mohammeds. Denn mit Hasan und Husain bringt Fatima die beiden einzigen Prophetennachkommen zur Welt, die nicht schon als Kinder sterben. Die schweren Machtkämpfe unter den Muslimen um die Nachfolge Mohammeds und die Spaltung in Sunniten und Schiiten erlebt Fatima nicht mehr. Noch keine 30 Jahre alt, stirbt sie im Jahr 632, wenige Wochen nach ihrem Vater. Ihr Grab vermuten die Historiker neben dem Mohammeds in der Prophetenmoschee von Medina.
Auge und Hand der Fatima als Schutzsymbole
Bereits in ersten Jahrzehnten nach Fatimas frühem Tod beginnt ihre religiöse Verklärung, bis hin zu einer marienähnlichen Verehrung. "Wenn der Neumond des Ramadan erschien, überstrahlte ihr Licht das des Mondes, so dass er verschwand", heißt es, während biografische Daten nur beiläufig Erwähnung finden. Im 19. Jahrhundert entdecken islamische Frauenbewegungen Fatima und ihre Mutter Ḫadiǧa, die Unternehmerin, als Vorbilder eines progressiven, selbstbestimmten Frauentyps. Trotz der spärlichen Quellenlage hat sich die Religionswissenschaftlerin Beinhauer-Köhler deshalb intensiv mit der Prophetentochter beschäftigt: "Ein Reiz war für mich festzustellen, dass sich die Fatima-Bilder verändern und zwar aus den Interessenlagen einer Zeit heraus."
Der konservative Islam dagegen, so Beinhauer-Köhler, nutzt die um Fatima gesponnenen Legenden, um ein männlich-patriarchalisches Frauenbild einzufordern, "also die Mutterschaft, die gute Ehefrau, die treusorgende Tochter." Im muslimischen Volksglauben ist Fatima bis heute überall präsent. Das blaue "Auge der Fatima" und die geöffnete "Hand der Fatima" sind allgegenwärtige Amulette gegen den "bösen Blick". Als Anhänger an Ketten oder Armbändern, gemalt auf Lastwagen, baumelnd und winkend unter den Rückspiegeln in Taxis, sind die Schutzsymbole in jedem islamischen Land zu finden.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 8. Dezember 2016 ebenfalls an Mohammeds Tochter Fatima. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
Stichtag am 09.12.2016: Vor 25 Jahren: Beginn des EG-Gipfels von Maastricht