"Scooter"-Sänger H.P. Baxxter hat lange in Hamburg-Bramfeld gelebt und Werner Pinzner, berüchtigter Auftragskiller im Rotlicht-Milieu, wurde dort geboren. Aufregenderes lässt sich über die schmucklose Vorstadt im Nordosten Hamburgs nicht sagen. Bis zu jenem Freitag vor fünf Jahren, als Thessa K. ihren Heimatort unfreiwillig in sämtliche deutsche Medien katapultiert.
Thessa will zu ihrem 16. Geburtstag am 3. Juni 2011 im Elternhaus eine kleine Party schmeißen; die Einladung postet die Gymnasiastin im sozialen Netzwerk Facebook. Durch ein Häkchen im falschen Kästchen aber erklärt Thessa die private Feier versehentlich zum öffentlichen Ereignis. Statt ihrer rund zwei Dutzend Freunde lädt sie auf einen Schlag sämtliche Facebook-User Deutschlands ein. Die Netzgemeinde reagiert begeistert: "Geile Idee!!!"
Gratulieren, Gröhlen, Saufen
Zum Glück bemerkt Thessa ihre Posting-Panne und sagt die Party umgehend wieder ab. Doch die chaotischste Geburtstagsfeier der Bramfelder Historie ist nicht mehr zu stoppen. Weit über 10.000 ungebetene Gäste kündigen sich bei Facebook an. "Wir freuen uns auf dein Gesicht, wenn wir vor deiner Tür stehen", textet Nachwuchs-Sänger Max Gamper in seinem eilends produzierten Glückwunsch an Thessa: "Stell schon mal den Grill an, stell schon mal das Bier kalt". Thessa und ihre Eltern ahnen, was ihnen bevorsteht. Vorsorglich informieren sie Nachbarn und Polizei über die mögliche Gästeflut. Schrankbreite Security-Kräfte werden beauftragt, das Haus samt Vorgarten zu verteidigen.
Am 3. Juni treffen hunderte Facebook-Freunde des Geburtstagskindes am Hamburger Hauptbahnhof zusammen. Nach einer fröhlichen Polonaise durchs Gebäude stürmen sie die S-Bahn nach Bramfeld. Bis zum Abend, so schätzt die Polizei, füllen etwa 1.600 Gratulanten den kleinen Otto-Burrmeister-Ring direkt am Bramfelder See. In Thessa-T-Shirts singend und johlend und mit reichlich Alkohol feiern sie den Geburtstag ihrer unbekannten Gastgeberin. Zu sehen bekommen sie Thessa nicht; sie ist vor dem Rummel geflohen und zu ihren Großeltern gefahren. Die Menge gröhlt mit Max Gamper: "Thessa, oh Thessa, wir kennen uns zwar nicht, doch uns egal, wir feiern dich und saufen uns jetzt dicht."
Die Kosten trägt der Staat
Bei Einbruch der Dunkelheit halten mehr als 150 Polizisten die Massenparty auf der Straße kaum noch unter Kontrolle. Mit dem Blutalkohol steigt die Neigung zu Prügeleien, Böller krachen, ein Gartenhaus geht in Flammen auf. Selbst eine zur Deeskalation eingesetzte Reiterstaffel muss in dem Gedränge kapitulieren. "Es flogen Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper", berichtet ein Polizeisprecher. "Partygäste nahmen Vorgärten auseinander, Zäune wurden niedergetrampelt." Unzählige Wildpinkler bringen die genervte Nachbarschaft zusätzlich in Rage. Gegen Mitternacht wird die aus dem Ruder gelaufene Facebook-Party mit einigem Nachdruck aufgelöst, die Bilanz: Ein verletzter Polizist, elf Festnahmen und Schäden in noch unbekannter Höhe.
Für Thessa K. und ihre Familie bleibt die Chaos-Party ohne finanzielle Folgen. Durch die schnelle Stornierung ihrer Facebook-Einladung ist sie aus dem Schneider; die entstandenen Kosten gehen zu Lasten der Steuerkasse. Allein bis Oktober 2012 sorgen mindestens elf weitere Facebook-Partys in Deutschland für Randale, Verletzte und Schäden in Millionenhöhe; nicht selten werden die Verursacher dafür haftbar gemacht.
Programmtipps:
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