Ein Gedenktag für das stille Örtchen? Skurrile Idee, könnte man denken. Hat die Welt nicht andere Sorgen? Doch der Welttoilettentag feiert nicht den sanitären Fortschritt mit gekachelten Wasserklosetts und mehrlagigem Tissue-Papier. Es geht um menschenunwürdige und gefährliche Zustände, unter denen immerhin 40 Prozent der Weltbevölkerung leben – ohne Zugang zu sauberen Toiletten, ohne Kanalisation und mit fäkalienverseuchtem Trinkwasser.
Der Gang aufs Klo ist ein Tabuthema unserer Zeit. Jeder muss regelmäßig hin, der Rest aber ist Schweigen. Selbst die Vereinten Nationen haben 2000 bei der Formulierung ihrer Milleniumsziele die Sanitärversorgung vergessen. "Doch worüber man nicht redet, das kann man nicht verbessern", sagt Jack Slim. 1998 hatte der Unternehmer aus Singapur begonnen, für eine bessere hygienische Versorgung seiner Stadt zu kämpfen. Drei Jahre später gründet Slim die World Toilet Organization (WTO), die den 19. November 2001 zum ersten Welttoilettentag erklärt.
Keine Toilette – keine Braut
Jährlich sterben etwa zwei Millionen Menschen an Krankheiten, die durch fehlende Toiletten verursacht werden. Bei Kleinkindern ist es die zweithäufigste Todesursache weltweit. In Sri Lanka etwa besteht ein Schulabort aus einem Flecken Sand unter freiem Himmel, umgeben von löchrigen Bambushecken. Keine Waschmöglichkeit, nicht einmal ein Loch im Boden. In Indien, der aufstrebenden IT-Nation, muss sich über die Hälfte der 1,2 Milliarden Einwohner noch immer im Freien erleichtern. Vor allem in den riesigen Slums der Megametropolen werden Fäkalien in erbärmlich stinkenden Bächen und Flüssen entsorgt oder dringen in den Boden ein, wo sie das Grundwasser verseuchen.
Tankwagen, die die Menschen für teures Geld mit Trinkwasser versorgen, sind ein seltener Luxus. Die Frauen des indischen Subkontinents schweben wegen der prekären Sanitärlage zudem ständig in Gefahr. Die Scham verbietet ihnen, ihre Notdurft bei Tag öffentlich zu verrichten. Bei den so erzwungenen nächtlichen Toilettengängen aber fallen sie immer wieder Räubern und Vergewaltigern zum Opfer. 2012 hat der Minister für Landesentwicklung die Parole "No toilet, no bride" ausgegeben – keine Toilette, keine Braut. Eltern sollen ihre Töchter nur dann verheiraten, wenn der Bräutigam auch ein Klo vorweisen kann.
Das Klo als Eckpfeiler der Entwicklungshilfe
WTO-Gründer Jack Slim leitet die World Toilet Organization bis heute. Seine Firma hat er aufgegeben, um rund um den Globus für menschenwürdige Sanitäranlagen zu kämpfen. Inzwischen ist seine Non-Profit-Organisation in 56 Ländern vertreten und der Welttoilettentag seit 2013 eine offizielle UN-Veranstaltung. Viele Helfer, die sanitäre Einrichtungen in Krisengebieten bauen, werden bei der German Toilet Organization in Berlin ausgebildet.
Spenden zu sammeln, sei schwer, berichtet der Projektkoordinator Robert Gensch: "Viele denken nur daran, dass Menschen Bildung oder Nahrung brauchen. Toiletten sind da in aller Regel sehr weit hinten auf der Agenda." Der Welttoilettentag sei eine gute Chance, die Leute darauf aufmerksam zu machen, sagt Gensch. Das Klo als einen Eckpfeiler der Entwicklungshilfe zu begreifen.
"Scheiße sagt man nicht" heißt aktuell eine Ausstellung des Freilichtmuseums Detmold zur Geschichte des Aborts. Janina Raub ist dort Expertin für die zivilisatorische Errungenschaft des Wasserklosetts, doch sie sagt: "Letztlich sind Toiletten, wie wir sie heute in Entwicklungsländern benutzen, nämlich ohne Wasser und mit biologischer Zersetzung, viel sinnvoller."
Bei solchen Hock-Klos wird der Kot vom Urin getrennt aufgefangen. Eine ungiftige Chemikalie blockt die Geruchsbildung, der Kot wird getrocknet und später zu Naturdünger verarbeitet. "Es gibt auch schon Experimente, aus menschlichen Exkrementen Energie zu gewinnen", erklärt Raub den Ausstellungsbesuchern. "Vielleicht sitzen wir irgendwann zu Hause auf dem Klo und produzieren dabei unsere eigene Energie."
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 19. November 2016 ebenfalls an den Welttoilettentag. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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