Im November 1895 sitzt der 50-jährige Professor Wilhelm Conrad Röntgen in seinem Labor am Physikalischen Institut der Universität von Würzburg. Dort lehrt und forscht er seit sieben Jahren, um sich der Kathodenstrahlung zu widmen.
Es ist später Nachmittag, die Fenster sind verdunkelt. Vor ihm steht eine ummantelte Glasröhre, in der durch Stromzufuhr ein blaues Licht entsteht.
Zufällige Erkenntnis
Plötzlich bemerkt der 1845 in Lennep bei Remscheid geborenen Forscher eine schwarze Linie auf einem zufällig auf dem Tisch liegenden lichtempfindlichen Papier: ein Phänomen, das sich nach dem damaligen Kenntnisstand der Physik nicht erklären lässt.
Denn die Belichtung kann nur vom Innern der Glasröhre herkommen. Aber kein damals bekanntes Licht hätte die Ummantelung der Röhre durchdringen können.
Holz ja, Metall nein
Ende des 19. Jahrhunderts experimentieren viele Physiker mit Entladungsröhren. Aber keinem ist das Phänomen bisher aufgefallen. Röntgen stellt weitere Forschungen mit den Strahlen an, die er wegen ihrer geheimnisvollen Kraft "X-Strahlen" nennt.
"Sie durchdringen Papier, Holz und Tuch mit Leichtigkeit", fällt ihm auf. "Und unterhalb gewisser Grenzen spielt die Dicke der Substanz keine Rolle." Nur Metall geht nicht. Später wird die Wissenschaft die Strahlen nach ihrem Entdecker "Röntgenstrahlen" nennen.
Nach der Entdeckung der Strahlung verlässt Röntgen sein Labor nur noch zum Essen in der darüber gelegenen Wohnung. In der Folge durchleuchtet er eine Holztruhe mit Metallgewichten oder eine Tür, hinter der ein Gewehr steht.
Knochenhand mit Ehering
Dann geht Röntgen einen Schritt weiter und bittet seine Frau Berta, ihre Hand zur Verfügung zu stellen. Und er will das Ergebnis fixieren. Vermutlich zehn bis zwanzig Minuten setzt Röntgen die Hand am 22. Dezember 1895 der Strahlung aus.
Das dabei entstandene Bild der Knochen mit dem Ehering ist der erste sichtbare Beweis dafür, dass die Strahlen den Menschen buchstäblich durchleuchten können und sich als bildgebendes Verfahren eigenen. Wie das etwas später entstandene Hand-Foto von Röntgens Kollegen Albert Könniker trägt es die Nachricht in die Welt.
Nobelpreis für Physik
Für die Entdeckung der nach ihm benannten Strahlen erhält Röntgen 1901 den ersten Nobelpreis für Physik. Er stirbt 1923 in München an Darmkrebs.
Die Röntgenstrahlen hingegen tragen seinen Namen bis in den letzten Winkel der Erde. Dabei kommt so mancher Arzt in den frühen Röntgenlaboratorien, in denen man die Strahlung aus Unwissenheit bei Hochspannungen bis zu 100.000 Volt hochdosiert einsetzt, im Blitzgewitter oder wegen der Spätfolgen der Bestrahlung zu Tode.
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 22. Dezember 2021 ebenfalls an die erste Röntgenaufnahme. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
Stichtag am 23.12.2020: Vor 100 Jahren: Teilung Irlands durch den "Government of Ireland Act"