Erich Honecker verspricht zu seinem Amtsantritt im Mai 1971 nicht nur neue Wohnungen und stabile Preise. Er "spendiert" den DDR-Bürgern auch 150.000 Bluejeans. Zu kaufen gibt es die begehrte Importware aus dem Westen ausschließlich im Centrum-Warenhaus am Berliner Alexanderplatz.
Das viergeschossige Kaufhaus ist der Konsumtempel des Ostens - und ein Ort der Hoffnung: Die Obrigkeit hofft, durch das Centrum die Versorgungsprobleme im Land lindern zu können. Und die gemeine Bevölkerung hofft auf all das, was sonst rar ist. Denn der Handel ist in der DDR ein Sorgenkind: Die Konsum-Wünsche der Bürger sind immer größer als das Warenangebot.
Steinernes Symbol der Konsumkraft
Kaschieren soll diese Versorgungslücken ein Warenhaus der Luxusklasse: das Centrum als steinernes Symbol der Konsumkraft des Landes. Zwei Monate lang schleppen Verkäuferinnen und Soldaten der Nationalen Volksarmee Tag und Nacht Stehlampen, Blusen und Bettwäsche aus anderen DDR-Kaufhäusern heran, um den Bestand des Neubaus zu füllen. Auch Rotarmisten helfen mit und erhalten als Belohnung einen Kooperationsvertrag mit späterem Sondereinkaufsrecht.
Am 25. November 1970 öffnet das Centrum-Warenhaus am "Alex" seine Pforten. Stundenlang stehen die Bürger am Eingang Schlange, um dann über den blauen Teppichboden aus Frankreich die Auslagen voller Papierkleider, Korbtaschen aus Plaste und Jeansstoff vom Meter zu begutachten.
80.000 Kunden pro Tag
Mit 15.000 Quadratmetern Verkaufsfläche ist das Centrum das größte Warenhaus des Landes. Auch die 2.000 Quadratmeter große Lebensmittelabteilung stellt für DDR-Verhältnisse einen Rekord dar. Das Kaufhaus, das schon von Weitem durch seine wabenartige Aluminiumfassade auffällt, erfreut sich schnell großer Beliebtheit: Im Jahr 1980 werden täglich 80.000 Kunden gezählt, die von etwa 2.000 adrett gekleideten Angestellten bedient werden.
Geht die Ware zur Neige, hilft schnell ein Anruf beim Ministerium für Handel und Versorgung, das sich im Notfall einfach in anderen Läden bedient. Denn jeder soll glauben, dass die Planwirtschaft der DDR keine Lücken kennt.
Manche sind etwas gleicher als die anderen
Doch obgleich es im Centrum mehr zu kaufen gibt als an irgendeinem anderen Ort in der DDR, ist die kapitalistische Insel im Sozialismus auch ein Spiegel der gesellschaftlichen Wirklichkeit. In der lichtdurchfluteten Delegationsabteilung mit ihren Sofaecken und der Eins-zu-Eins-Betreuung etwa stehen italienische Schuhe und Parfüm aus Frankreich in den Regalen. Dort dürfen nur hohe Funktionäre der SED einkaufen.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 25. November 2020 ebenfalls an die Eröffnung des Centrum-Warenhauses. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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