Oliver Twist ist ein Waisenjunge und wächst im Armenhaus auf. Hier hat er die Wahl, "nach und nach im Haus oder außer Haus zu verhungern". Im Roman "Oliver Twist" (1837-1839) von Charles Dickens wird der Titelheld verprügelt und für fünf Pfund an einen grausamen Lehnherren verkauft: Erfahrungen von Armut, die Dickens in abgeschwächter Form selbst gemacht hat.
Humor und Mitgefühl
Geboren wird Dickens 1812 in der Nähe von Portsmouth. 1823 muss die ganze Familie außer ihm ins Schuldgefängnis: Der Zwölfjährige ist für ein paar Monate gezwungen, in einer Fabrik Schuhwichse in Flaschen abzufüllen. Um der Armut zu entrinnen, geht Dickens zur Schule, wird Anwaltsgehilfe, Gerichtsreporter und Journalist. Dadurch kommt er mit den unterschiedlichen Ungerechtigkeiten der Industrialisierung in Berührung. In seinen "Skizzen von Boz" (1836) schildert er das Milieu der kleinen Leute und des Mittelstands – mit Mitgefühl, aber auch mit viel Humor.
1836 heiratet Dickens Catherine Hogarth, mit der er zehn Kinder hat - und von der er sich nach 22 Jahren wegen einer wesentlich jüngeren Schauspielerin trennen wird. Ab 1836 veröffentlicht er seinen von Ironie und Situationskomik durchsetzten Fortsetzungsroman "Die Pickwickier" über einen Klub, der "die genaue Beschreibung und Analyse der Wirklichkeit liefern" will und der ihn über Nacht zum gefeierten Schriftsteller macht. 1837 wird er Herausgeber der Zeitschrift "Bentley's Miscellany", in der auch "Oliver Twist" erscheint. 1845 wird er zudem Herausgeber der liberalen Tageszeitung "Daily News", für die er auch anklagende Leitartikel verfasst.
Sozialer Abstieg mit Happy End
Dickens schreibt wie besessen, zum Teil an mehreren Romanen gleichzeitig – immer getrieben von der Angst, wieder ins soziale Elend abzurutschen. Für seine Fortsetzungsromane "Oliver Twist", "Nicholas Nickleby" (1838-1839), "Der kleine Raritätenladen" (1840-1841) oder "David Copperfield" (1849-1850) erfindet er zumeist kindliche Helden, die der viktorianischen Gesellschaft mit ihrer Ungerechtigkeit und Kinderarbeit den Spiegel vorhalten. Am Ende aber gönnt er seinen Figuren fast immer ein Happy End.
Seinem Hang zum glücklichen Ende bleibt Dickens selbst in den düsteren Romanen des Spätwerks wie "Harte Zeiten" (1854) oder "Große Erwartungen" (1860-1861) treu – wohl auch, um seine Leser nicht zu vergraulen. Charles Dickens stirbt am 9. Juni 1870 auf seinem Landsitz Gads Hill: mit nur 58 Jahren, nach einem zweiten Schlaganfall.
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