"Ich vertrete einen Islam, der sich der Gesellschaft hier anpasst", sagt Imam Hassen Chalghoumi. Der Leiter der Moschee von Drancy, einer Nachbarstadt von Paris, ist der bekannteste Imam Frankreichs.
Er ist der einzige Imam, der sich gegen eine Vollverschleierung von Muslima mit einer Burka oder Niqab ausspricht. Diese Kleidung treibe muslimische Frauen in die Isolation, erklärt "der Imam der Mäßigung", wie ihn die Medien nennen.
Damit liegt Chalghoumi auf der Linie der französischen Regierung. Von Radikal-Islamisten erhält er Morddrohungen; gemäßigte Muslime kritisieren, er lege den Koran falsch aus.
Demokratie der offenen Gesichter
Die Burka verhüllt den ganzen Körper, das Gesicht bleibt hinter einem Stoffgitter verborgen. Verbreitet ist sie in Afghanistan und Pakistan. In ganz Frankreich tragen 2010 nur rund 2.000 Frauen eine Burka. Das sind 0,003 Prozent der Bevölkerung.
Dennoch sorgt der Ganzkörperschleier in Frankreichs Öffentlichkeit für so viel Zündstoff, dass die Regierung am 13. Juli 2010 ein Verbot erlässt. Demokratie werde mit "mit offenem Gesicht gelebt", so Justizministerin Michele Alliot-Marie: "Deshalb verbieten wir an dem Ort, wo man sich begegnet – in der Öffentlichkeit -, das Gesicht zu verbergen."
Gehören Burkas zu Deutschland?
Wie in vielen anderen Staaten Europas wird auch in Deutschland über ein Verbot von Burka und Niqab diskutiert. Es geht um Freiheit und Offenheit und darum, ob der Islam wirklich zu Deutschland gehört, wie es Bundespräsident Christian Wulff im Oktober 2010 in einer viel beachteten Rede sagt.
Burkagegner argumentieren, Frauen würden durch Vollverhüllung unterdrückt und zum Objekt männlicher Willkür. Im WDR-Polittalk "Hart aber fair" sagt CDU-Politikerin Julia Klöckner, "diese Frauen haben selbst bestimmt, dass sie mir das Gesicht nicht zeigen wollen. Das ist ein Akt der Unhöflichkeit, der sich nicht gehört in Deutschland".
Gesichtsverschleierung an Schulen verboten
Ein grundsätzliches Burkaverbot gibt es derzeit nicht in Deutschland. Seit einer Änderung des Beamtengesetzes 2017 ist muslimischen Frauen aber im Dienst untersagt, ihr Gesicht zu verhüllen. Einige Bundesländer haben zudem an Schulen ein Verbot von Burkas und Niqabs verhängt.
Rückendeckung erhalten die Burkagegner durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der 2017 das Verbot von Gesichtsschleiern in Belgien billigt. Erkenntnisse von Sicherheitsbehörden, ob sich mit diesen Verboten weniger muslimische Frauen radikalisieren, liegen derzeit nicht vor.
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