Eine Bewerbung bringt die Sache ins Rollen: Die 19-jährige Tanja Kreil will 1996 Soldatin in einer Kampfeinheit der Bundeswehr werden. Doch ihr Berufswunsch wird abgelehnt. Er verstoße gegen das Grundgesetz. Im Artikel 12a heißt es, Frauen "dürfen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten." In der Bundeswehr gibt es zwar seit 1975 Soldatinnen im Sanitäts- und im Militärmusikdienst. Aber sie sind lediglich zur Selbstverteidigung bewaffnet, nicht für Kampfhandlungen. Tanja Kreil akzeptiert die Absage nicht und wendet sich an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg.
Im Januar 2000 stellen die Luxemburger Richter fest, dass der Passus im Grundgesetz gegen das Recht auf Gleichbehandlung der Geschlechter verstößt. Daraufhin wird das Grundgesetz geändert. In der Neufassung von Artikel 12a heißt es nun, Frauen "dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden." Am 2. Januar 2001 rücken zum ersten Mal in der Geschichte der Bundeswehr 244 Rekrutinnen zum Dienst in Kampfeinheiten von Heer, Marine und Luftwaffe ein.
Steigert Akzeptanz von Auslandseinsätzen
Das Jahr 2001 sei aus mehreren Gründen ein besonderes Datum, sagt Maja Apelt, Professorin für Organisations- und Verwaltungssoziologie, die für die Deutsche Forschungsgesellschaft das Projekt "Geschlecht und Organisation am Beispiel des Militärs" leitet: "Das Erste ist, dass es um die Durchsetzung eines gleichen Rechts auf Arbeit ging, das Tanja Kreil erkämpft hat." Zweitens habe das Militär immer größere Personalengpässe gehabt. "Insofern kam der Bundeswehr letztlich die Öffnung der Streitkräfte als erzwungene Öffnung doch eigentlich sehr recht."
Drittens habe sich die Bundeswehr damals von einer Verteidigungs- zu einer Einsatzarmee gewandelt, so Maja Apelt. Für die gesellschaftliche Akzeptanz der damit verbundenen Auslandseinsätze sei es hilfreich gewesen, nicht als reiner Männerbund zu gelten, sondern "als eine Organisation, die in der Lage ist, Frauen zu integrieren."
An die herrschenden Normen anpassen
Die Integration von Frauen in die Streitkräfte ist allerdings nicht problemlos. Von den insgesamt rund 180.000 Soldaten der Bundeswehr sind nur knapp 19.000 Frauen, also etwa gut zehn Prozent. Der Männerbund habe sich keineswegs aufgelöst, sagt Soziologin und Kognitionswissenschaftlerin Kerstin Botsch. "Es gibt weiterhin Strukturen, die es Frauen sehr schwer machen, da Fuß zu fassen." Frauen müssten sich an die herrschenden Normen irgendwie anpassen, wenn sie nicht untergehen wollten. Gerhard Kümmel, Leiter des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam, spricht von "mentalen Mustern", die zu überwinden seien. "Die Befürchtung ist schon da, dass die Streitkräfte aufgrund der Integration von Frauen sich verweiblichen und dadurch schwächer werden."
Kümmel, der die Integration von Frauen in Kampfeinheiten begleitet, will diese Befürchtung durch die Praxis widerlegen. "Das sind halt langwierige Prozesse. Man kann auch argumentieren, dass Frauen zusätzliche Kompetenzen in die Streitkräfte reinbringen." Seinem Rat folgend verzichtet die Bundeswehr auf sogenannte positive Diskriminierung. Die südafrikanischen Streitkräfte zum Beispiel bevorzugen Schwarze und Frauen, auch wenn sie weniger qualifiziert sind als ihre weißen, männlichen Mitbewerber. In der Bundeswehr zählen bei Beförderungen zuerst die Fähigkeiten. "Wenn beide einen Gleichstand haben, dann wird die Frau genommen", sagt Kümmel.
Stand: 02.01.2016
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