Ernsthaft erkrankte Kinder haben im 19. Jahrhundert im Krankenhaus kaum eine Chance. Nach einer Statistik der Berliner Charité überleben 70 Prozent ihren Aufenthalt nicht. Vor allem für Säuglinge wird die Klinik zur Todesfalle. In erster Linie scheitern die Mediziner in den Zeiten vor Penicillin an übertragbaren Krankheiten wie Pocken, Tuberkulose, Bronchitis oder Scharlach. Aber selbst starker Durchfall ist oft tödlich.
Neben medizinischem Wissen mangelt es den Ärzten aber zumeist auch an der richtigen Einstellung. Kinder werden wie kleine Erwachsene behandelt, die Ursachen der Erkrankungen zumeist mit den Müttern, vor allem mit der Muttermilch, in Verbindung gebracht. Das ändert sich erst mit Abraham Jacobi, dem Begründer der modernen Kinderheilkunde in den USA: In jeder Hinsicht ein Revolutionär.
Das erste Kinderkrankenhaus der USA
Geboren wird Jacobi 1830 in Hartum in Ostwestfalen-Lippe. Er ist ein hoch talentierter Durchstarter: Sein Medizinstudium in Greifswald, Göttingen und Bonn beendet er 1851 – mit gerade einmal 21 Jahren – mit seiner Promotion. Aber im reaktionären Deutschland eckt der Freigeist schon in jungen Jahren an. Er wird als Kommunist verhaftet, aber im so genannten Kölner Kommunistenprozess 1852 schließlich freigesprochen.
Trotzdem fühlt sich Jacobi nicht frei. 1853 emigriert er nach England, übersiedelt dann aber nach New York. Ein paar Jahre später ist er Professor. 1860 gründet er das erste Kinderkrankenhaus und erhält den ersten amerikanischen Lehrstuhl für Kinderkrankheiten.
Kinder, esst Salat!
Einen Gutteil seiner Zeit investiert Jacobi in die Erforschung der Kinderkrankheiten. Eines seiner Spezialgebiete ist die Diphterie als eine, zumeist in jungen Jahren auftretende, nicht selten tödlich endende Infektionskrankheit. 1876 veröffentlicht Jacobi hier ein Standardwerk, das Ärzten Mittel zur Heilung an die Hand gibt. Auch im Bereich der Kinderernährung gelangt Jacobi zu bahnbrechenden Erkenntnissen: "Kinder, die vorwiegend Milch, Eier und Fleisch zu essen bekommen, erkranken weitaus häufiger an Scharlach als Kinder, die ausreichend Gemüse, Salat und Obst essen."
Auch als Professor und Teil der High Society der USA bleibt Jacobi im Herzen Revolutionär. Er beklagt soziale Missstände und unterbreitet der Politik praktische Maßnahmen zum Kinder- und Jugendschutz. Vor allem aber ist ihm zu verdanken, dass viele Kinderkrankheiten heute Geschichte sind.
Abraham Jacobi stirbt am 10. Juli 1919 in Bolton Landing, New York.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 9. Juli 2019 ebenfalls an Abraham Jacobi. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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