29. August 2005 - Hurrikan Katrina erreicht New Orleans

Obwohl das National Hurrikan Center eine Katrina-Warnung nach der anderen herausgibt, sind die Bars an der Bourbon Street in New Orleans voll wie immer. "Big Easy", die unbeschwerte Lebensfreude im Vergnügungsviertel French Quarter, ist am 27. August 2005 ungebrochen. Dabei hat Katrina schon Tage zuvor schwere Schäden in Florida verursacht. Da hatte der Hurrikan aber erst Stufe eins. Nun lädt sich der Wind über dem warmen Wasser des Golfs rasant auf und steuert direkt auf die Küsten von Louisiana zu.

"Wir wussten Samstagnacht, dass dies der befürchtete große Sturm ist", erinnert sich Hurrikan-Forscher Ivor van Heerden von der Louisiana State University. Eine Computersimulation nach dem letzten Hurrikan Ivan 2004 hatte deutlich gezeigt: Die Stadt versinkt, wenn sie ein tropischer Wirbelsturm der Stärke fünf trifft. Mit einer Windgeschwindigkeit von 280 Stundenkilometern hat Katrina die Stufe aber bereits über dem Golf von Mexiko erreicht. Bürgermeister Ray Nagin ordnet schließlich die Zwangsevakuierung der Stadt an.

Wer kann, verlässt die Stadt

Wer ein Auto hat, verlässt New Orleans. Der Rest sitzt fest, nichts geht mehr. Busse und Bahnen bleiben im Depot, Hunderte Polizisten treten ihren Dienst nicht an und flüchten selbst. Zurück bleiben 100.000 Menschen: Kranke, Alte, Arme, Schwarze. "Ich wusste, dass wir viele Menschen verlieren werden, dass die Zerstörung verheerend wird", sagt van Heerden. Katrina erreicht New Orleans in den frühen Morgenstunden am 29. August 2005. Der Sturm peitscht durch die Stadt. Häuser wackeln, aber die Zerstörungen sind nicht groß. Die Zurückgebliebenen atmen auf: Katrina war wohl nicht so schlimm wie befürchtet.

Eine verfrühte Hoffnung. Denn im Laufe des Tages kommt die Flut. Der Wind hat gewaltige Wassermassen aufgetürmt, 8,5 Meter hohe Wellen, die nun gegen die Deiche drücken. Doch Deiche, Kanäle und Pumpen, die New Orleans trocken halten, sind zum Teil schon hundert Jahre alt und halten dem Druck nicht stand. Die Wiege des Jazz versinkt in den Fluten. Wer noch kann, flüchtet zum höher gelegenen Stadion oder in die Kongresshalle. Die anderen warten auf Häuserdächer auf ihre Rettung - oft vergeblich.

Menschen sterben, weil Hilfe ausbleibt

Die amerikanische Katastrophenrettung ist ein Desaster. Während Fernseh-Teams bereits live vom Stadion berichten, ist von Rettungskräften noch nichts zu sehen. Die wenigen örtlichen Helfer sind völlig überfordert. Aus Verzweiflung bricht der Polizeichef von New Orleans vor laufender Kamera in Tränen aus. Auch Bürgermeister Nagin platzt der Kragen und er greift den Präsidenten an: "Zu viele Menschen sterben, weil nichts passiert. Dies ist eine nationale Katastrophe auf amerikanischem Boden und wir schaffen es nicht, die Nationalgarde in einem überschaubaren Gebiet einzusetzen."

Erst drei Tage nach Katrina meldet sich George Bush zu Wort: "Niemand konnte vorhersehen, dass die Deiche brechen." Doch Experten haben genau davor seit Langem gewarnt. Jetzt erst wird die Nationalgarde in Marsch gesetzt, und es dauert weitere drei Tage bis die Menschen im Stadion und Kongresscenter in Sicherheit gebracht sind.

Katrina ist nicht nur eine der größten Naturkatastrophen, Katrina ist auch eine Katastrophe der amerikanischen Bürokratie. Mindestens 1.836 Menschen sind in New Orleans durch den Wirbelsturm gestorben, Hunderttausende haben ihr Zuhause verloren, etliche werden bis heute noch vermisst. Mittlerweile sind die Bars der Bourbon Street wieder offen, "Big Easy" ist wieder da - nur mit weniger Menschen. New Orleans hat heute 100.000 Einwohner weniger als vor Katrina.

Stand: 29.05.2015

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