"Bis San Diego erstreckte sich jetzt Marias Herrschaft. Sie war ein gigantisches Geschöpf der Atmosphäre, das Feuchtigkeit aus dem großen Pazifik aufsaugte und sie als Regen und Schnee auf einer Küstenstrecke von tausend Meilen wieder von sich gab. Wie ein Vater, dessen Kind plötzlich eine mächtige und berühmte Person geworden ist, begann der junge Meteorologe zu empfinden, dass sich seine Zuneigung mit Respekt vermischte." In dem Roman "Sturm" von George R. Stewart aus dem Jahr 1941 haben alle weiblichen Sturmnamen ihren Ursprung. Im Vorwort schreibt der Autor, dass ein Sturm die meisten Eigenschaften eines menschlichen Wesens besitzt. "Ein Sturm konnte eine Romanfigur, ja sogar die Hauptperson werden." Und seine beide Protagonisten sind dann tatsächlich ein Hurrikan namens Maria und ein junger Meteorologe, der neue Tiefdruckgebiete nach Mädchen benennt, die er einmal kannte.
Sturmwarnungen werden besser verstanden
Die Romanhandlung findet bald Nachahmer in der Wirklichkeit. "Im Zweiten Weltkrieg beginnen US-Army und US-Navy, tropische Wirbelstürme zu benennen – oft nach den Namen von Soldatenfrauen", erklärt der Wetterexperte Sven Plöger. 1953 übernimmt der amerikanische Wetterdienst das Verfahren.
"Auf der Welt oder in einer Region ist nicht nur ein Sturm unterwegs. Man muss sie also unterscheiden, um zu wissen, von welchem man spricht und ob Menschen betroffen sind. Die Kommunikation wird durch solche Namen klar verbessert", sagt Sven Plöger. Sturmwarnungen würden besser verstanden, wenn man plakativ von einer Sandy oder einer Katrina spricht, statt von namenlosen Sturmtiefkernen.
"Es ist sinnvoll, Hurrikans auch nach Männern zu benennen"
"Frauennamen sind prinzipiell etwas Sympathisches", betont Plöger. "Aber wenn die Wettererscheinungen extrem sind und vielleicht auch Todesfälle zu beklagen sind, dann werden sich nur wenige Menschen freuen, dass ausgerechnet ihr Name mit dem Schrecken in Verbindung gebracht wird."
Dass diese Erfahrung allein Frauen vorbehalten sein soll, sehen US-amerikanische Feministinnen nicht ein und bestürmen den US-Wetterdienst mit Protestbriefen. Und tatsächlich verkündet ein Sprecher der Behörde am 12. Mai 1978, "dass es dem Fortschritt angemessen und in der heutigen Zeit sinnvoll ist, Hurrikans auch nach Männern zu benennen."
Der erste männliche Hurrikan tobt über dem Ost-Pazifik und erhält den Namen Bud. Er zerstört nichts und erreicht nicht einmal die Küste. Ihm folgen harmlose Sturmkollegen wie Daniel, Fico, Hector und John. Der Sturm Andrew ist im Jahr 1992, was den finanziellen Schaden betrifft, jedoch fast so zerstörerisch wie Katrina 13 Jahre später.
In Asien verläuft die Sturmtaufe von Anfang an diplomatischer. Im nordwestpazifischen Raum erhalten tropische Stürme überhaupt keine menschlichen Namen, sondern solche von Blumen, Tieren, Vögeln, Bäumen. "Manchmal übrigens sogar von Lebensmitteln, was ich persönlich erstaunlich finde", sagt Plöger.
Stand: 12.05.2013
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