"Betreten bei Todesstrafe verboten" steht auf dem Schild, das britische Soldaten 1945 über einem Labor der TU Hannover anbringen. Bis Kriegsende hatte der Elektroakustiker Fritz Sennheiser dort an Funk-Chiffriertechniken getüftelt. Das war durch die Alliierten nun strengstens untersagt. "Wir fragten uns aber bald, wie ernst das mit der Todesstrafe wohl gemeint sei", erzählt Sennheiser später.
Im Juni 1945 nimmt der gebürtige Berliner das Schild kurzerhand ab und gründet im Norden Hannovers mit sieben Mitarbeitern das Laboratorium Wennebostel, kurz Labor W genannt. Es wird zur Keimzelle eines Unternehmens von Weltruf, dessen Entwicklungen neue Standards bei der Aufzeichnung und Wiedergabe von Sprache und Musik setzen.
Qualität vor Expansion
Anfangs produziert die kleine Elektronikwerkstatt Messgeräte – bis der Siemens-Konzern Fritz Sennheiser mit der Entwicklung von Mikrofonen beauftragt. 1949 stellt das Labor W sein revolutionäres "unsichtbares Mikrofon" MD3 vor. Bühnenkünstler, allen voran die zierliche Chansonette Édith Piaf, die bislang hinter klobigen, duschkopfgroßen Mikros förmlich verschwindet, sind begeistert. Denn trotz einer nur murmelgroßen Metallkugel an der Spitze eines dünnen Rohres überzeugt das elegante Sennheiser MD3 mit erstklassigen Klangeigenschaften. Die einsetzende Nachfrage zwingt Fritz Sennheiser, sein Team ständig zu vergrößern.
Sennheisers Qualitätsansprüche aber haben Vorrang vor der Expansion. "Bei 100 Mann", so meinte er damals, "kann erst mal Schluss sein." Spätestens mit der Einführung des Richtrohr-Mikrofons und des ersten drahtlosen Mikrofons erweist sich die selbst gesteckte Grenze als Illusion. Diese Erfindungen seiner Ingenieure, die Sennheiser zum ständigen Experimentieren herausfordert, machen moderne Unterhaltung auf Bühnen, in Film und Fernsehen erst möglich. Eingedeckt mit Aufträgen aus aller Welt und einer Palette von 100 verschiedenen Mikrotypen, baut der Technikpionier 1957 sein Labor W zum Industrieunternehmen Sennheiser Electronics aus.
Vater des modernen Kopfhörers
Ende der 50er-Jahre erreicht der Umsatz der Hannoveraner Technikschmiede die Zehn-Millionen-Mark-Marke. Den Großteil des Gewinns steckt Sennheiser sofort wieder in die Forschung, sämtliche Investitionen finanziert der Selfmade-Unternehmer ohne fremdes Kapital. Wann und wo immer Stars von nun an auf Tournee gehen, Sportereignisse im Fernsehen übertragen werden oder Politiker Interviews geben: Sennheiser ist dabei und sorgt für besten Klang - auch als John F. Kennedy 1963 den historischen Satz "Ich bin ein Berliner" sagt.
Neue Ideen und der Drang, "immer noch Besseres zu erreichen", sind Sennheisers einzige Waffe gegen die wachsende Billig-Konkurrenz aus Japan. Sein größter Coup gelingt ihm 1968 mit dem HD 414, dem ersten offenen Kopfhörer der Welt. Das federleichte Ding mit den markanten gelben Ohrpolstern ist bis heute der meistverkaufte Kopfhörer der Welt. 1982 übergibt Fritz Sennheiser die Leitung des Unternehmens an seinen Sohn Jörg. In Hollywood geehrt mit einem Technik-Oscar der "Academy of Motion Pictures Arts and Sciences" stirbt Fritz Sennheiser am 17. Mai 2010 mit 98 Jahren. Das Bundesverdienstkreuz hatte er zuvor dreimal abgelehnt.
Stand: 17.05.2015
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
- Synthesizer-Erfinder Robert Moog stirbt | mehr
-
-
-
- Gründung der Firma Bang & Olufsen | mehr
-
- Geburtstag des Physikers Heinrich Hertz | mehr