Der Maler Max Liebermann, Jude und Nachbar von Sauerbruch in Berlin, porträtiert den Chirurgen 1932 mit verschränkten Armen: die rechte Hand mit auffällig langen Fingern im Mittelpunkt des Bildes, während die linke halb verborgen wie ein Stumpf aussieht.
Vielleicht ein Hinweis auf die widersprüchliche Persönlichkeit des Chirurgen, der zwar nie in die NSDAP eintritt, aber die Nationalsozialisten öffentlich unterstützt. Zugleich hilft der Medizinprofessor jüdischen Kollegen bei ihrer Flucht. Er ist auch einer der wenigen, die am Trauerzug für Max Liebermann nach dessen Tod 1935 in Berlin teilnehmen.
Chirurgisches Talent aus einfachen Verhältnissen
Geboren wird Ferdinand Sauerbruch als Sohn eines Webers am 3. Juli 1875 in Barmen, das heute zu Wuppertal gehört. Er studiert zunächst Naturwissenschaften, wechselt dann zu Medizin. Schon als junger Arzt fällt sein chirurgisches Talent auf.
1903 holt der angesehene Breslauer Chirurg Johann von Mikulicz den bis dahin unbekannten Sauerbruch an sein Institut. Der hoch motivierte Jungakademiker soll für Mikulicz herausfinden, wie sich die Brust für Operationen öffnen lässt, ohne dass die Lungen kollabieren.
Unterdruckkammer und Sauerbrucharm
Sauerbruch findet die Lösung in der Welt der Physik: Der Körper des Patienten liegt in einem Glaskasten mit Unterdruck, der Kopf atmet draußen. Die Ärzte stecken ihre Arme durch luftdicht verschlossene Öffnungen und operieren so im Kasten. Die Unterdruckkammer wird die Initialzündung für Sauerbruchs Karriere.
Der Erste Weltkrieg konfrontierte ihn mit dem Elend der Verwundeten, denen er Gliedmaßen amputieren muss. "Er wusste, wenn die nach Hause kommen, dann ist das Leben trotzdem vorbei, auch wenn sie das hier überleben", erzählt der Historiker Christian Hardinghaus. Sauerbruch entwickelt eine neue Prothese, die den Veteranen einen Teil ihrer Selbständigkeit zurück gibt.
Ruf an die Berliner Charité
Mittlerweile ist Ferdinand Sauerbruch ein weltberühmter Chirurg, der sich vor Publikum gern volkstümlich nahbar gibt. Mitarbeiter, Kollegen und Studenten beschreiben ihn aber auch als geltungssüchtig, herrisch und ausfallend.
1927 holt die Berliner Charité ihn, wo er während des gesamten Zweiten Weltkrieges arbeitet. Die Nationalsozialisten ehren ihn mehrfach – und Sauerbruch lässt es geschehen. 1945 wird er von den Sowjets als Berliner Stadtrat für das Gesundheitswesen eingesetzt.
Erst 1949 wird er in den Ruhestand geschickt – da ist sein eigener Gesundheitszustand schon bedenklich. Ferdinand Sauerbruch stirbt am 2. Juli 1951 einen Tag vor seinem 76. Geburtstag in Berlin.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Heide Soltau
Redaktion: Ronald Feisel
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 2. Juli 2021 an Ferdinand Sauer. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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