Die Frage, wie wir uns Tieren gegenüber verhalten sollten, beschäftigt die Philosophen bereits seit der Antike: Dürfen wir Tiere nutzen, weil dies der natürlichen Ordnung der Dinge entspricht oder dürfen wir sie nicht nutzen, weil sie fühlende Wesen sind wie wir?
Erstes Tierschutzgesetz in England
Konkrete rechtliche Konsequenzen haben diese ethischen Überlegungen jedoch erst nach der Aufklärung: 1822 wird in England das weltweit erste Tierschutzgesetz verabschiedet. Ende des 19. Jahrhunderts hält der Tierschutzgedanke auch ins Recht des Deutschen Kaiserreichs Einzug - wenn auch in eher spezieller Weise, denn das Quälen von Tieren ist nur verboten, sofern es öffentlich geschieht oder Ärgernis erregt.
Reform der Nationalsozialisten
Zu einer Reform des Tierschutzrechts kommt es in Deutschland erst 1933. Das Empfinden des Tieres und nicht das des Menschen wird nun in den Mittelpunkt gerückt. Und zwar von den Nationalsozialisten, die im Allgemeinen eher nicht für ausgeprägte Empfindsamkeit bekannt sind.
Der neue, strengere Tierschutz hat von den Nazis gern gesehene Folgen für einen nicht gern gesehenen Bevölkerungsteil. So wird unter anderem das Schächten verboten, also die nach jüdischem Glauben vorgeschriebene rituelle Schlachtmethode.
Hierbei wird ein Tier vor der Schlachtung nicht betäubt, sondern es wird ihm bei vollem Bewusstsein die Kehle durchgeschnitten. Für die Nazis verbindet das Reichstierschutzgesetz erfolgreich antisemitische Propaganda mit rassetümelnder Naturliebe.
Gesetz für Wildtier und Schoßhund
Gut drei Jahrzehnte später, in den 1960er Jahren, ringt man in der Bundesrepublik Deutschland um ein neues Tierschutzgesetz. Dieses soll zwar alle Tiere umfassen - vom Wildtier bis zum Schoßhund - doch Anlass für seine Neufassung ist vor allem der Umgang mit Nutz- und Versuchstieren durch veränderte Arbeitsprozesse: Denn im Wirtschaftswunderland nimmt die Häufigkeit von Tierversuchen in der Forschung zu und in der Landwirtschaft hält die so genannte "Intensivtierhaltung" Einzug.
Eine Grundgesetzänderung macht schließlich den Weg für ein neues Tierschutzgesetz frei: Am 21. Juni 1972 wird es - unter Zustimmung aller Fraktionen - vom Deutschen Bundestag verabschiedet.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Daniela Wakonigg
Redaktion: David Rother
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 21. Juni 2022 an die Verabschiedung des Tierschutzgesetzes. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 22.06.2022: Vor 125 Jahren: Deutsche Erstaufführung von "La Bohème"