Das Scheitern der Deutschen Revolution von 1848/49 nimmt Leopold Sonnemann persönlich, denn der Sohn eines jüdischen Tuchhändlers identifiziert sich sehr mit den Ideen der Revolutionäre: Presse-, Versammlungs- und Glaubensfreiheit sowie Gleichberechtigung der Religionen. Sonnemann ist begeistert, als in der Frankfurter Paulskirche das erste gesamtdeutsche Parlament tagt. Er träumt von einer sozialen Republik und weniger Kapitalismus.
Dabei lässt Sonnemann als Bankier später selbst sein Kapital für sich arbeiten und verdient mit Aktien viel Geld. Statt das Textilunternehmen weiterzuführen, konzentriert er sich nach dem Tod seiner Eltern auf das Börsengeschäft in der Finanzmetropole Frankfurt - und will aus den Fehlern seines Vaters lernen. Der hat bei einem Wertpapiergeschäft viel Geld verloren, weil die Bank ihn falsch beraten hat.
Optimaler Zeitpunkt
Sonnemann schickt Artikel an Frankfurter Zeitungen, in denen er diese unseriösen Praktiken anprangert. Doch die Presse scheut die Kritik am renommierten Geldhaus, was ihn auf eine Idee bringt: eine eigene Wirtschaftszeitung. Wer an der Börse handelt, braucht verlässliche Informationen und ist bereit, dafür zu zahlen. Das ist Sonnemanns Konzept für den "Frankfurter Geschäftsbericht", den er am 21. Juli 1856 erstmals veröffentlicht.
Der Zeitpunkt ist optimal: Aktiengesellschaften florieren, es sind goldene Zeiten für Spekulanten. Schon wenige Wochen später erscheint das Blatt - jetzt als "Frankfurter Handelszeitung" - an jedem Börsentag. Doch die wirtschaftliche Ausrichtung reicht Sonnemann bald nicht mehr. Er will auch die Politik durch Meinungsbildung verändern. Für die demokratischen Ideale der Revolution tritt er noch immer ein.
Sonnemann gegen Bismarck
Die Besetzung Frankfurts durch Preußen 1866 wirft ihn zurück. Seine Zeitung wird verboten, die Redaktion flieht kurzzeitig nach Stuttgart. Otto von Bismarck betrachtet Sonnemann fortan als Gegner. Der preußische Offizier und spätere Reichskanzler will Deutschland nicht durch Demokratie, sondern durch Machtpolitik und Krieg einen.
Um seine Ziele durchzusetzen, gründet Sonnemann 1871 die Deutsche Volkspartei. Im Berliner Reichstag versucht er vergeblich, die Grundrechte von 1848 in die neue deutsche Verfassung einfließen zu lassen. Seine politischen Gegner stempeln ihn als Juden ab, der im Bankengewerbe groß geworden sei.
Im Kampf für Aufklärung und gegen Zensur setzt Sonnemann immer wieder auf sein Blatt, das inzwischen "Frankfurter Zeitung" heißt. Doch seine Vorstellungen von einer Republik gelten im Kaiserreich als zu radikal. Erst viel später werden sie prägend für das Grundgesetz der jungen Bundesrepublik. Bis zu seinem Tod 1909 gibt Sonnemann zudem als Mäzen entscheidende Anstöße für den Ausbau Frankfurts zu einer modernen europäischen Großstadt.
Autor des Hörfunkbeitrags: Christoph Vormweg
Redaktion: Hildegard Schulte
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