Im 19. Jahrhundert haben die europäischen Mächte den afrikanischen Kontinent faktisch als Besitz unter sich aufgeteilt. Um 1880 erwirbt der Bremer Großkaufmann Adolf Lüderitz in Verhandlungen mit Stammeshäuptlingen große Gebiete jenseits der Namib-Wüste an Afrikas Südwestküste.
1884 erklärt das Deutsche Reich die Lüderitz-Besitzungen zunächst zum "Schutzgebiet" und kurz darauf zur Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Es wird ein Reichskommissar ernannt, eine Schutztruppe für deutsche Siedler geschickt - und es gilt dort das deutsche Recht.
Anführer durch Hilfe der Deutschen
Bei Ankunft der Deutschen ringen die Gruppen Herero und Nama in dem Gebiet um die Vorherrschaft. Sie sind keine Völker im europäischen Sinne, sondern eher feudale Personenverbände, häufig Nomaden, die von der Rinderzucht leben. Bei den Herero setzt sich Maharero als Anführer durch. Dieser hat zwei Söhne: den erstgeborenen Wilhelm und Samuel, der im Jahr 1856 das Licht der Welt erblickt.
Beide Söhne besuchen deutsche Schulen und werden von Missionaren christlich erzogen. Als Wilhelm überraschend stirbt, ist Samuel aber keineswegs automatisch der nächste in der Erbfolge. Daher wendet er sich 1890 an die Deutschen, um mit ihrer Hilfe seinen Machtanspruch abzusichern.
Erst Kollaborateur, dann Gegner
Samuel Maharero wird zum Kollaborateur: Er hilft den Kolonialmächten, sich mit geringer Zahl an Soldaten fremden Besitz, Ländereien und Rinderherden anzueignen und die einheimischen Menschen als Arbeitskräfte zu unterwerfen. Zudem verkauft er Land an die Deutschen, um Geld für seine Alkoholsucht zu erhalten.
Erst 14 Jahre später wechselt er die Seiten. In der Zwischenzeit sind die Herero, die einst stolzen Rinderzüchter, weitgehend verarmt. Sie müssen sich bei den deutschen Siedlern als Arbeitskräfte andienen oder bei der Kolonialverwaltung für den geplanten Eisenbahnbau quer durch Namibia. Da die Lebensbedingungen für die Herero immer unerträglicher werden, ruft Samuel Maharero im Januar 1904 zum Aufstand auf.
In einer ersten - für die Deutschen völlig überraschenden - Angriffswelle werden landesweit über 100 Siedler getötet. Die deutsche Seite reagiert ebenfalls gewaltsam, mit einer Mischung aus rassistischen Allmachtsfantasien und nackter Tötungslust. Die Reichsleitung in Berlin entsendet General Lothar von Trotha, um den bisherigen Schutztruppenkommandeur Theodor Leutwein zu ersetzen.
Apokalyptische Szenen in der Wüste
Im August 1904 werden die Herero in der Schlacht am Waterberg militärisch besiegt. Samuel Maharero entkommt mit rund 1.500 Herero durch die Wüste bis ins Betschuana-Land, dem heutigen Botswana. Viele Alte und Kranke, Kinder und Frauen überleben die Flucht hingegen nicht. Deutsche Soldaten, die die Herero vor sich her in die Wüste treiben, berichten von apokalyptischen Bildern.
Ein Jahr später werden auch die Nama auf ähnliche Weise fast ausgerottet. Die überlebenden Herero und Nama werden in Lagern konzentriert bei Farmen, Eisenbahnbaustellen oder später in Kupfer- und Diamantminen. Jeder Zweite überlebt die Konzentrationslager nicht. 1915 sind rund 80 Prozent der Nama und Herero buchstäblich ausgerottet.
Es war Völkermord
Am 14. März 1923 stirbt Samuel Maharero nach langem Krebsleiden mit 67 Jahren in Botswana. Fünf Monate später wird er in seiner Heimat Okahandja im Beisein von Hereros aus allen Landesteilen beigesetzt.
Im Jahr 2021 verfasst die Bundesregierung mit Landes- und Opfervertretern aus Namibia eine Erklärung, in der die Verbrechen des deutschen Kaiserreichs an den Herero und Nama als Völkermord bezeichnet wird. Jedoch wurde der Wiedergutmachungsvertrag bislang nicht unterzeichnet.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Marfa Heimbach
Redaktion: Matti Hesse
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 14. März 2023 an den Todestag von Samuel Maharero, Anführer des Herero-Aufstands.
ZeitZeichen am 15.03.2023: Geburtstag des Comiczeichners Gerhard Seyfried