6. Juni 1973 - Verordnung über die Pflichtablieferung von Musiknoten und Schallplatten

Für die Ewigkeit gedacht: Das Deutsche Musikarchiv ist so etwas wie die Arche Noah für Musiknoten und Tonträger. Immer zwei Exemplare von jeder Gattung müssen seit 1973 mit an Bord.

Gesammelt werden alle Stile: von Bach bis Sido, den Berliner Philharmonikern bis zu Micky Krause, Schlager und Stockhausen, Death-Metal und Kirchenmusik, Hinterhof-Punk oder Hifi-Klassik. Im Deutschen Musik Archiv (DMA) landen pro Woche durchschnittlich 1.500 Tonträger und mehr als 200 Notenausgaben.

Grund dafür ist die "Pflichtstückverordnung Musik", die Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) am 6. Juni 1973 erlassen hat. Mit genauem Titel heißt sie: "Erste Verordnung über die Pflichtablieferung von Musiknoten und Musikschallplatten an das Deutsche Musikarchiv der Deutschen Bibliothek". Deshalb muss jedes Label und jeder Verlag mit Sitz in Deutschland zwei Exemplare eines neuen Musikwerkes abliefern.

Von Mozart bis Nirvana: Die deutsche Arche Noah der Musik WDR ZeitZeichen 06.06.2023 15:02 Min. Verfügbar bis 06.06.2099 WDR 5

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Komplexe deutsche Archivlandschaft

Begonnen hat das Sammeln nach der Gründung der Deutschen Bücherei in Leipzig. Ihr Auftrag ist es, ab 1913 die gesamte im Deutschen Kaiserreich erscheinende Literatur zu archivieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es dafür aufgrund der sich abzeichnenden Teilung Deutschlands ab 1946 zwei Standorte: Leipzig und Frankfurt am Main. Nach der Wiedervereinigung werden die beiden Bibliotheken organisatorisch zusammengeführt, verbleiben aber in ihren Städten.

Der Auftrag der neu entstandenen Deutschen Nationalbibliothek (DNB) lautet, sämtliche in Deutschland veröffentlichten Medien in Schrift, Bild und Ton zu sammeln. Das Deutsche Musikarchiv übernimmt – verkürzt gesagt – den musikalischen Teil dieses Auftrags. Das DMA, das 1970 in West-Berlin entstanden ist, hat seinen Sitz seit 2010 in Leipzig, in einem Erweiterungsbau der DNB.

Von der Schellackplatte bis zur CD

Mit einer Million Musiknoten und 2,2 Millionen Tonträger hat das Deutsche Musikarchiv eine der größten musikalischen Sammlungen weltweit. Den Großteil machen CDs und Vinylschallplatten aus. Es gibt aber auch Klavierrollen, Audiokassetten, Schellackplatten, Wachswalzen und historische Abspielgeräte.

Diese Sammlung ist der Öffentlichkeit zugänglich: Im Bestand kann jeder und jede ohne Beschränkung recherchieren, Titel bestellen und in der Bibliothek in Leipzig anhören und ansehen. Nur verlassen dürfen die Medien das Gebäude aus urheberrechtlichen Gründen nicht.

"Wir sind das Back-up der Nation"

Ziel ist es, "das Kulturgut auf Zeit und Ewigkeit als Archiv der Nation zu bewahren, als klingendes Gedächtnis" - sagt DMA-Leiter Ruprecht Lange. Lachend fügt er hinzu: "Wir sind das Back-up der Nation, von der Giraffe bis zur Zauneidechse ist die Arche hier gut bestückt."

Das sei auch der Grund, weshalb zwei Exemplare nötig seien. "Alles, was in Leipzig steht, ist in Frankfurt noch mal gespiegelt." Eine zusätzliche Absicherung im Fall eines Brandes, einer Naturkatastrophe oder eines Krieges.

Digitale Kopien für Urheber

Die Digitalisierung stellt die gesetzliche Abgabepflicht von 1973 zusätzlich vor Herausforderungen. Denn immer mehr Musik erscheint heute nicht physisch, sondern digital im Internet und auf Streaming-Plattformen, die ihren Sitz nicht in Deutschland haben. Ihnen gegenüber hat das DMA keine Handhabe, zwei Exemplare zu verlangen.

Doch es gibt für solche Urheber einen Ansporn, ihre Werke freiwillig beim DMA abzuliefern: Wer die Rechte an einer Aufnahme oder Noten besitzt, bekommt bei Bedarf eine digitale Kopie.

Autor des Hörfunkbeitrags: Christian Kosfeld
Redaktion: David Rother

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 6. Juni 2023 an die Pflichtablieferung von Musiknoten und Schallplatten. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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