"Regenmassen ergossen sich vom Himmel, Gewässer brachen aus der Erde hervor, Flüsse zerstörten Dämme, so dass sie Äcker vernichteten, in Burgen, Städte, Dörfer und Kirchen eindrangen, Mauern und Türme umstießen, zahlreiche Menschen und Zugtiere ertränkten." Das Magdalenenhochwasser wird von den Chronisten des Mittelalters ausführlich dokumentiert. Es erreicht am 22. Juli 1342 - dem Tag der Heiligen Maria Magdalena - an vielen Orten seinen Höhepunkt.
Monatelang stehen ganze Landstriche zwischen Rhein und Oder unter Wasser. Die Flutkatastrophe gilt heute als die schlimmste in der Geschichte Mitteleuropas. Dabei können Historiker das Ereignis lange Zeit kaum einordnen. Zwar gibt es viele Dokumente, die es erwähnen. Doch die Schriftquellen sind mal lapidar, mal völlig übertrieben formuliert.
Oft ist von der größten Flut seit Menschengedenken die Rede. Aber solche Aussagen findet man über viele Flutereignisse. Das erschwert Geschichtsforschern, die wirkliche Zerstörungskraft des Hochwassers einzuschätzen.
Bodenkundler mit entscheidendem Hinweis
Erst als Geoarchäologen Ende der 1970er-Jahre in einer Lehmgrube im Landkreis Göttingen graben und in der Erde merkwürdige Schichten finden, wird das Bild klarer: Die Bodenkundler entdecken eine gewaltige, über zehn Meter tiefe Schlucht, die vielleicht Stunden oder maximal wenige Tage nach der Entstehung schon wieder zusammengebrochen ist.
In der Tiefe finden die Forscher Keramikscherben und Holzkohlestücke aus dem 14. Jahrhundert. An weiteren Orten gibt es noch mehr von diesen eingestürzten Schluchten, manche sind mehrere Kilometer lang. Ungeheure Kräfte haben hier das Oberste nach unten gekehrt. Die Historiker wissen nun: Das Magdalenenhochwasser war extrem. Und sie können nachfolgende Ereignisse jetzt besser einordnen - insbesondere die spätmittelalterliche Agrarkrise, in der der Getreideanbau in Europa drastisch zurückgeht.
Als Hauptursache gilt bisher die Pest, die zur gleichen Zeit ausbricht und die Bevölkerung stark dezimiert. Doch die zahlreichen Ackerböden, die durch das Unwetter für immer verloren gehen, sind ein weiterer Grund. So ist es etwa im Spessart nach der Magdalenenflut nie wieder möglich, Landwirtschaft zu betreiben.
Tiefdruckgebiet als Ursache
Doch was führte zur Flut, in der Tausende ertrinken oder in der Folge verhungern, weil Ernten vernichtet und Felder verschwunden sind? Für die Menschen damals ist es der Zorn Gottes. Für die Wissenschaft heute ist es eine so genannte Vb-Wetterlage, ein spezielles Tiefdruckgebiet, das immer wieder auftaucht.
Es bringt feucht-warme Luftmassen nach Mitteleuropa und sorgt für starken Regen - und manchmal für gravierende Überschwemmungen. Das ist nicht nur 1342 der Fall, sondern etwa auch bei der Oder-Flut 1997 sowie beim Elbe-Hochwasser 2002 und 2013.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Maren Gottschalk
Redaktion: Gesa Rünker
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