Als der Anführer der Russischen Revolution, Wladimir Iljitsch Lenin, 1924 stirbt, kommt es zum Machtkampf. In der zwei Jahre zuvor gegründeten Sowjetunion gibt es zwei Anwärter auf die Nachfolge. Der eine Mann ist Stalin, Generalsekretär der KPdSU. Lenin hat seine Genossen kurz vor seinem Tod noch gewarnt: "Stalin ist zu grob." Es sei zu überlegen, "wie man Stalin ablösen könnte". Doch das ist nicht passiert.
Der zweite Mann ist Leo Trotzki, Chef der Roten Armee. Er ist ein brillanter Redner und kann Zuhörer begeistern. Aber wegen seiner Eitelkeit gilt er als nicht teamfähig. In einem zeitgenössischen Porträt heißt es: "Als Mensch ist er von stacheliger und herrischer Art." Stalin hingegen versteht es, Netzwerke zu knüpfen und strategisch zu nutzen. Trotzki wird von Stalin nicht nur aus dem Machtapparat gedrängt und aus der KPdSU ausgeschlossen. Er wird 1928 auch in die Verbannung nach Alma-Ata geschickt.
Aus Bronstein wird Trotzki
Es ist nicht das erste Mal, dass Trotzki in die Verbannung muss. Der 1879 als Lew Davidowitsch Bronstein geborene Sohn eines jüdischen Bauers wird von der zaristischen Geheimpolizei als sozialistischer Umstürzler verhaftet und sitzt bereits mit 22 Jahren in Sibirien. Von dort aus flieht er 1902 nach England - mit einem gefälschten Pass, der auf den Namen Trotzki ausgestellt ist.
Dort wohnt er bei Lenin, überwirft sich aber zeitweise mit ihm und lebt auch in München. Als er sich wieder in Petersburg aufhält, wird er gefasst und kommt erneut in die Verbannung. Er flieht abermals und geht nach Wien. Während des Ersten Weltkrieges hält er sich in der Schweiz, Frankreich, Spanien und den USA auf.
Klug und kaltblütig
Als Weggefährte Lenins kommt Trotzki 1917 zurück nach Sankt Petersburg, wo er die Oktoberrevolution organisiert. Er verhandelt mit dem Deutschen Kaiserreich auch den Frieden von Brest-Litowsk. Parallel dazu baut Trotzki die Rote Armee auf und erweist sich von 1918 bis 1922 im Bürgerkrieg gegen die Zaristen als kluger Stratege und kaltblütiger Volkskommissar.
Affäre mit Frida Kahlo
Im Januar 1929 wird Trotzki aus der Sowjetunion ausgewiesen. Nach vier Jahren in der Türkei kommt er am 24. Juli 1933 in Marseille an - zusammen mit seiner zweiten Frau Natalja Sedowa. Doch Stalin interveniert bei der linken Volksfront, die Frankreich regiert. Trotzki muss das Land verlassen. Nach einem Aufenthalt in Norwegen finden er und seine Frau Asyl in Mexiko, wo ein linker Präsident regiert.
Zunächst leben die beiden Exilanten beim Maler-Paar Diego Rivera und Frida Kahlo, die sich für Trotzki einsetzen. Es kommt zu einer kurzen Affäre zwischen ihm und der 28 Jahre jüngeren Kahlo. Trotzki und seine Frau ziehen später um und bauen ihr Haus in Mexiko-Stadt aus Angst vor Stalins Mördern zu einer Festung aus - mit Wachtürmen und Schießscharten.
Mit dem Eispickel angegriffen
Ein Attentat von zwei falschen Polizisten scheitert. Doch Stalin lässt nicht locker. Einer seiner Geheimagenten, Ramón Mercader, bändelt mit einer Sekretärin Trotzkis an und verschafft sich so Zugang zur Festung. Am 20. August 1940 attackiert er den Revolutionär und zertrümmert ihm den Schädel mit einem Eispickel. Einen Tag später stirbt Leo Trotzki.
Nach der Verbüßung seiner Haftstrafe in Mexiko wird der gefasste Mercader Anfang der 1960er-Jahre von Moskau mit dem Titel "Held der Sowjetunion" ausgezeichnet. Die Witwe Trotzkis hatte sich bereits im Frühjahr 1956 im Zuge der Entstalinisierung erfolglos um die Rehabilitierung ihres ermordeten Mannes bemüht.
Autor des Hörfunkbeitrags: Heiner Wember
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 24. Juli 2023 an Leo Trotzkis Ankunft in Marseille. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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