Februar 1921: Die Revolution in Russland ist gerade vier Jahre her. Die Bolschewiki unter der Führung von Lenin hatten gesiegt - mit maßgeblicher Unterstützung der Matrosen von Kronstadt. Sie halfen beim Sturm auf den Winterpalast des Zaren in St. Petersburg.
Doch nun sind die Matrosen enttäuscht. "Die Sowjetmacht führt zum Sozialismus", hatte Lenin angekündigt. Stattdessen stecken die Sowjets im Bürgerkrieg mit zarentreuen Truppen. Die Ideale eines freiheitlichen und demokratischen Sozialismus bleiben auf der Strecke.
Auf Ostsee-Insel stationiert
Es herrscht Kriegskommunismus: Die Bolschewiki treiben das Getreide mit Waffen bei den Bauern ein. Arbeiterkomitees werden durch Lenin-Getreue ersetzt. Hunderttausende Menschen verhungern. Es kommt zu Aufständen und Streiks, auch in Petrograd, dem früheren St. Petersburg.
Die Matrosen in der Festung Kronstadt, die auf der Ostsee-Insel Kotlin nahe Petrograd steht, wissen vom Aufruhr auf dem Festland. Als dort die Geheimpolizei auf die Arbeiter schießen, kippt die Stimmung auf dem Stützpunkt der Baltischen Flotte.
Ultimatum verstreicht
Am 28. Februar 1921 verfassen die Kronstädter auf dem Schlachtschiff "Petropawlowsk" eine Resolution. Am nächsten Tag wird sie vor 16.000 Matrosen und Arbeitern verlesen. Gefordert werden Neuwahlen sowie Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit.
Eine 30-köpfige Delegation macht sich nach Petrograd auf, um die Forderungen zu verbreiten - ohne je zurückzukehren. Leo Trotzki, Oberbefehlshaber der Roten Armee, sammelt derweil Truppen. Sein Ultimatum lassen die Kronstädter verstreichen. "Wir werden die Sache siegreich beenden - oder sterben", funken sie von der "Petropawlowsk".
Vorstoß übers Eis
"Zusammenschießen! Wie Enten auf dem Teich", befiehlt Trotzki. Am 7. März beginnt der Angriff auf die Festung Kronstadt. Doch der Vorstoß über die vereiste Ostsee misslingt: Die Matrosen feuern aus ihren schweren Geschützen, das Eis bricht, hunderte Rotarmisten ertrinken.
Nach Artillerie-Beschuss der Festung rücken die Bolschewiki in der Nacht zum 17. März erneut über das Eis vor.
Feinde geworden
Nach 20 Stunden ergeben sich die Matrosen der Übermacht von rund 50.000 Rotarmisten. Tausende Rebellen fliehen nach Finnland. Die Bilanz: 3.000 Gefallene, über 2.000 Todesurteile, 6.500 Haftstrafen, Rückkehrer aus Finnland verschwinden in Straflagern.
1917 waren die Matrosen von Kronstadt noch die Elitetruppe der Bolschewiki gewesen. Trotzki hatte sie damals als "Schönheit und Stolz der Oktoberrevolution" bezeichnet.
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
Stichtag am 01.03.2021: Vor 10 Jahren: Rücktritt von Verteidigungsminister Guttenberg