Unterricht. Sport. Therapie. Und ein geregelter Alltag. Straffällig gewordene Jugendliche erhalten die Chance, sich auf ihren Neustart in Freiheit vorzubereiten. Es klingt heutzutage normal, jugendliche Straftäter anders zu behandeln als Erwachsene. Doch erst eine Reform vor 100 Jahren sorgt dafür.
Eine große Reform
In der Weimarer Republik steht Gustav Radbruch, Rechtswissenschaftler, Sozialdemokrat und Justizminister, für die Leitlinie: Kinder und Jugendliche kann man nicht wie Erwachsene bestrafen. Es klingt banal. Doch es ist schwierig durchzusetzen. Ein eigenes Jugendstrafrecht, als eine große Reform.
Das Credo von Gustav Radbruch lautet: "Härte allein ist völlig nutzlos." Eine wichtige Erkenntnis, die nicht alle hören wollen - damals wie heute. Das Jugendgerichtsgesetz von 1923 setzt auf Erziehung und Berücksichtigung des Alters statt auf Rache. Das heißt: Heraufsetzung der Strafmündigkeit auf 14 Jahre. Schaffung spezieller Jugendgerichte. Einrichtung von Jugendhaftanstalten. Einführung der Möglichkeit zu Urteilen auf Bewährung.
Die Rechte Jugendlicher sollen insgesamt gestärkt werden. Und so wird in der Weimarer Republik auch das Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt verabschiedet. Das beinhaltet: "Das Recht zur Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit."
Nazi-Regime macht Reformen rückgängig
Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 ändert sich der Umgang mit Jugendlichen Straftätern wieder. Schon ein Jahr zuvor tritt eine Notverordnung in Kraft, die zwischen "Erziehbaren" und "Unerziehbaren" unterscheidet. Eine Vorlage, die bald für rassistisches Gedankengut genutzt wird. Es folgten ab 1939 diverse Verordnungen gegen "jugendliche Schwerverbrecher" und sogenannte "Volksschädlinge". Arbeitslager für Jugendliche werden eingerichtet.
Nach dem Krieg wird in der DDR 1952 ein neues Jugendstrafgesetz eingeführt – Erziehungsmaßnahmen sollen wieder Vorrang vor Strafe haben. Doch noch 1950 hatte man den jugendlichen Bandenchef Werner Gladow zum Tode verurteilt. Und in der DDR gilt auch: Bei Delikten wie Mord, Vergewaltigung und einigen politischen Straftaten konnten auch jugendliche Straftäter nach Erwachsenenstrafrecht bestraft werden.
In der Bundesrepublik wird 1953 ein neues Jugendstrafrecht verabschiedet – nun mit der Unterscheidung zwischen Jugendlichen und Heranwachsenden – für die Altersspanne zwischen 18 und 21 Jahren. Das Jugendstrafgesetz ist und bleibt eine Errungenschaft, die allerdings bis heute nicht alle Probleme lösen kann.
Autor des Hörfunkbeitrags: Thomas Klug
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 16. Februar 2023 an die Einführung des Jugendstrafrechts in der Weimarer Republik. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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