11. Dezember 321 – Nachweis jüdischen Lebens auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands
Stand: 07.12.2021, 09:19 Uhr
War es eine Pflicht oder ein Privileg für die Juden von Köln, als der römische Kaiser Konstantin im Jahr 321 verfügt, dass sie in den Rat sollen? Sicher ist: Der Erlass ist der einzige Beweis jüdischen Lebens nördlich der Alpen in dieser Zeit.
Das folgende Jahr beginnt für die niedergermanische Hauptstadt Agrippina, das heutige Köln, mit guten Nachrichten aus Rom: "Mit einem allgemeinen Gesetz erlauben wir allen Stadträten, Juden in den Rat zu berufen", heißt es in dem Erlass des römischen Kaisers Konstantin, der auf den 11. Dezember 321 datiert ist.
Einziger Beweis jüdischen Lebens in der Antike
Das Dokument ist der einzige Beweis, dass im antiken Köln – und nördlich der Alpen – Juden gelebt haben. "Wir wissen sonst nichts bis zum 4. Jahrhundert, absolut nichts!", sagt der Althistoriker Prof. Werner Eck. Bis heute wurden im Großraum Köln keine anderen antiken jüdischen Spuren gefunden: keine kultischen Gegenstände, keine Grabinschriften, keine hebräischen Schriftzeichen.
Dass zumindest der Kaiserliche Erlass von 321 das jüdische Leben im Rheinland dokumentiert, ist Kaiser Theodosius II. zu verdanken. Er ließ im fünften Jahrhundert die Gesetze des Römischen Reiches sammeln. So wurde eine Handschrift des Dekrets in der Vatikanischen Bibliothek aufgehoben.
Warum haben die Juden ihre Heimat verlassen?
Aber warum haben sich die Juden Tausende Kilometer von ihrem jüdischen Kernland niedergelassen? Warum sind jüdische Familien von der Sonne in die nasse, kalte, regnerische römische Provinz Niedergermanien gezogen, deren Hauptstadt Köln damals war?
Jüdische Auswanderer haben nach den Aufständen gegen die römische Herrschaft Judäa verlassen – und sich auch nördlich der Alpen angesiedelt. Der Kaiserliche Erlass von 321 bezeugt zudem, dass die Juden bereits einige Jahrzehnte am Rhein gelebt haben und zu Reichtum gekommen sein müssen.
Wohlhabende Juden sollen in den Rat
Denn die Kölner Ratsherren müssen mit ihrem Vermögen für das notwendige Steueraufkommen haften. In der Wirtschaftskrise Anfang des vierten Jahrhunderts wird das Amt der Räte daher immer unattraktiver. So kommt die Idee auf, vermögende jüdische Gemeindemitglieder einzubeziehen. Entsprechend ergeht eine Bitte an Kaiser Konstantin.
Unklar ist, ob die Aufnahme in den Rat nur aus finanziellen Gründen angestrebt wurde oder die Juden durch politische Engagement auch gesellschaftlich aufgewertet werden sollten. Wie hat sich also das Zusammenleben zwischen den jüdischen und nicht-jüdischen Bürgern nach dem Erlass entwickelt?
Der Erlass als einzige Quelle jüdischen Lebens
Auch das ist ein Rätsel. "Da gilt genauso wie bei der Geschichte der Juden in Köln vor 321: Wir wissen auch nach 321 schlicht nichts", sagt der Althistoriker Werner Eck. Das Gesetz Konstantins bleibt bis ins frühe Mittelalter die einzige Quelle jüdischen Lebens in Mitteleuropa.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Marfa Heimbach
Redaktion: Hildegard Schulte
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 11. Dezember 2021 an den Kaiserlichen Erlass, der Juden zum Rat in Köln zugelassen hat. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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