Am Ende des Zweiten Weltkriegs setzen die USA Atomwaffen gegen Japan ein. Nach dem Krieg entwickelt sich im Zuge der Blockkonfrontation zwischen Ost und West eine nukleare Abschreckung. Seit Hiroshima und Nagasaki wissen beide Seiten um die schreckliche Zerstörungskraft der Atombomben.
Die Bundesrepublik und die Wiederbewaffnung
Die Bundesrepublik bekommt schon ein Jahrzehnt nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht Nazi-Deutschlands wieder eine Armee. Kanzler Konrad Adenauer (CDU) will die neue Bundeswehr im Kalten Krieg weiter aufrüsten - mit Atomwaffen.
"Die taktischen atomaren Waffen sind im Grunde genommen nichts anderes als eine Weiterentwicklung der Artillerie", sagt Adenauer im April 1957. Ausführen soll die Pläne sein Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU).
Doch es gibt Widerspruch. Deutsche Wissenschaftler veröffentlichen das so genannte Göttinger Manifest. Darin weisen 18 führende Physiker und andere Forscher auf die Gefahren der Atomwaffen hin und sprechen sich gegen eine Ausrüstung der Bundeswehr mit solchen Waffen aus: "Die Pläne einer atomaren Bewaffnung der Bundeswehr erfüllen die unterzeichnenden Atomforscher mit tiefer Sorge. Einige von ihnen haben den zuständigen Bundesministern ihre Bedenken schon vor mehreren Monaten mitgeteilt."
Kritik der Forscher an taktischen Atomwaffen
Zu den Unterzeichnern gehören Professor Otto Hahn - der Vater der Kernchemie - aber auch andere große Namen wie Werner Heisenberg oder Carl Friedrich von Weizsäcker. Die 18 weisen in ihrem Manifest etwa auf die Tatsache hin, dass auch taktische Atomwaffen die zerstörende Wirkung normaler Atombomben haben.
Adenauer und Strauß wehren sich gegen die Einmischung von Wissenschaftlern in die Politik. Die Regierenden in Bonn versuchen alles, um Stimmung gegen die Professoren zu machen. Auf der politischen Ebene erntet deren Manifest wenig Erfolg. Aber: Es verändert die öffentliche Meinung fundamental.
Denn die Göttinger bringen damals einen Stein ins Rollen. Andere Wissenschaftler, Schriftsteller, Künstler, Pädagogen, Gewerkschafter, Studenten, Kirchenleute - sie alle folgen dem Appell der Professoren. Mit dem Manifest vom 12. April 1957 beginnt die Friedensbewegung. Die Bundeswehr bekommt keine Atomwaffen.
Autor des Hörfunkbeitrags: Wolfgang Meyer
Redaktion: David Rother
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 12. April 2022 an das Göttinger Manifest. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 13.04.2022: Vor 280 Jahren: Uraufführung Oratorium "The Messiah" von Händel