30. April 1812 - Kaspar Hauser wird geboren

Stand: 15.03.2022, 14:11 Uhr

Ein Findelkind aus der Dunkelheit, ein Prinz oder doch ein Betrüger? Seine Herkunft ist so rätselhaft wie sein Ende. Kaspar Hauser ist bis heute eine Projektionsfläche.

Fast 200 Jahre rührt das Schicksal von Kaspar Hauser die Gemüter, weckt wissenschaftliche Neugierde und entfesselt immer neue Fantasien über das "wilde Findelkind". Literatur, Film, Theater, Oper - alle greifen den Stoff auf.

Kaspar Hauser, Findelkind (vermuteter Geburtstag, 30.04.1812) WDR ZeitZeichen 30.04.2022 14:42 Min. Verfügbar bis 30.04.2099 WDR 5

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Ein schmerzhafter erster Auftritt

Am Pfingstmontag 1828 taucht der 16-jährige Kaspar in Nürnberg erstmals in der Öffentlichkeit auf: verwahrlost, verschüchtert - aber voller sittsamer Manieren. In einem dunklen Kerker soll er aufgewachsen sein. Ein Zeitzeuge ist der Ansbacher Gerichtspräsident Anselm von Feuerbach: "Seine Sprache waren meistens Tränen, Schmerzenslaute, unverständliche Töne."

Nur ein Satz ist verständlich: "Ich möchte ein solcher Reiter werden, wie mein Vater einer gewesen ist." Bei sich trägt der Findling einen Brief, darin steht, Kaspar habe 16 Jahre keinen Schritt vor die Tür gesetzt. Und er enthält einen Zettel, wohl von der Mutter: "Ich bitte um die Erziehung bis 17 Jahre. Geboren ist er am 30. April 1812. Ich bin ein armes Mägdlein und kann das Kind nicht ernähren."

Kaspar, ein betrogener Prinz?

Gerichtspräsident Feuerbach, ein Förderer Hausers, macht ihn zum Kriminalfall: Der Junge sollte in Wahrheit ein badischer Erbprinz sein, der durch sinistre Machenschaften am Karlsruher Hof um sein rechtmäßiges Thronerbe gebracht worden war. Selbst modernste genetische Tests können dies nicht belegen.

Der verschwiegene Kaspar Hauser wird zur Projektionsfläche: Das aufgeklärte Bürgertum sieht in ihm den "Urmenschen" im Zustand unschuldiger Reinheit. Rohköstler, Ernährungs- und Verdauungsspezialisten, Abstinenzler, Juristen, Kriminologen, Mediziner und Pädagogen - sie alle experimentieren mit Kaspar Hauser.

Ein rätselhafter Tod

Seine wohlmeinenden Förderer verlassen ihn, Kaspar gerät in die Hände des Zuchtmeisters Johann Georg Meyer, der ihn erneut in die Isolation treibt. Bis er eines Tages blutüberströmt und tödlich verletzt aus dem Ansbacher Hofgarten taumelt und Tage später, am 17. Dezember 1833, stirbt. War es Mord oder tat er sich selbst Gewalt an? Leben und Tod Kaspar Hausers bleiben rätselhaft. Mehr als 3.000 Bücher und unzählige wissenschaftliche Artikel sind inzwischen über das geheimnisvolle Findelkind erschienen.

Autorinnen des Hörfunkbeitrags: Anja Arp und Doris Arp
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 30. April 2022 an das Findelkind Kaspar Hauser. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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