"Ich drang durch tausend Hindernisse / und ließ nicht eher ab / bis mir der Ausgang Ehre gab." Diese Zeilen von Anna Louisa Karsch stehen exemplarisch über einem der beeindruckendsten Lebensläufe der deutschsprachigen Literatur. Dutzende Widerstände bewältigt sie und wird zur gefeierten Dichterin.
Als kindliche Arbeitskraft benutzt
Geboren wird Anna Louisa am 1. Dezember 1722 in Hammer, damals Schlesien. Ihr Vater ist Gastwirt, ihre Mutter gönnt der Tochter "wenig Achtsamkeit". Einem Großonkel verdankt sie ihre erste, grundlegende Bildung. Er nimmt das verwahrloste, als dumm verschriene sechsjährige Mädchen in seine Obhut und stillt ihren Bildungshunger. Bei ihm lernt sie lesen, schreiben und entdeckt die Welt der Literatur.
Als Anna Louisa zehn Jahre alt ist, holt die Mutter sie zurück und benutzt sie die nächsten fünf Jahre als Arbeitskraft: Kinder und Kühe hüten, dazu Hausarbeit. Mit 15 wird Anna Louisa an einen Tuchmacher verheiratet. Ein sozialer Aufstieg, der jedoch 1749 in einer Scheidung endet. Mittellos und ohne Unterkunft muss Anna Louisa für sich und zwei kleine Töchter sorgen. Die Jüngste überlebt nicht, verzweifelt flüchtet die Mutter in die erstbeste Ehe mit dem Schneider Daniel Karsch. Er entpuppt sich als gewalttätiger Säufer und wird zum Glück der Karschin zum Militär eingezogen.
Gelegenheitslyrik ebnet den Weg
Mitten im siebenjährigen Krieg - die Karschin ist in Glogau gelandet - kann sie mit Gelegenheitsgedichten, etwa zu Hochzeiten, Geld verdienen. Daneben schreibt sie anspruchsvolle Lyrik, der Kreis ihrer Bewunderer und Unterstützer wächst. Ihren Durchbruch hat sie mit Hymnen auf den preußischen König Friedrich II.
Der Ruhm in Berlin
Anna und ihre Tochter gehen nach Berlin, werden dort in die Gesellschaft eingeführt: Adel, Geistesgrößen, Militärs - alle feiern das Naturtalent vom Lande. Ihre Liebe zum Dichter Ludwig Gleim bleibt unerwidert, aber sie findet in ihm einen wichtigen Förderer. Er preist sie als "deutsche Sappho". König Friedrich Wilhelm II. lässt ihr 1789 in Berlin ein Haus bauen. Dort empfängt sie ihre Bewunderer, zu denen auch der junge Goethe gehört. Am 12. Oktober 1791 stirbt Anna Louisa Karsch im Alter von 68 Jahren in Berlin.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Jutta Duhm-Heitzmann
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 1. Dezember 2022 an den Geburtstag von Anna Luisa Karsch. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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