19. März 1927 – US-Informatiker Allen Newell wird geboren

Stand: 14.03.2022, 14:48 Uhr

Wie bringt man einen Computer dazu, menschliche Denkprozesse nachzuahmen? Diese Frage beschäftigt Allen Newell seit den 1950er Jahren und wird zu seiner "Lebensaufgabe". Seine Forschungen bilden die Grundlage für die Künstlichen Intelligenz, die uns heute überall im Alltag begegnet.

Als Allen Newell am 19. März 1927 in San Francisco geboren wird, sind Computer noch reine Science-Fiction. Der Sohn eines Radiologen entspricht auch nicht dem Bild eines heutigen Nerds: Er ist naturverbunden und will als Jugendlicher Ranger in der Sierra Nevada werden.

Doch dann erwacht seine Liebe zur Wissenschaft – ausgerechnet durch die hoch umstrittenen Kernwaffentests der USA im Südpazifik. Newells Vater gehört zu den Forschern, die auf Inseln des Bikini-Atolls Atomwaffen testen und beschäftigt seinen Sohn Allen als Assistenten. "Die Begeisterung dort hat mich angesteckt", erinnert sich Newell später. "Ich wollte unbedingt einer von ihnen sein und an interessanten Problemen arbeiten."

Allen Newell, US-Informatiker (Geburtstag, 19.03.1927) WDR ZeitZeichen 19.03.2022 14:49 Min. Verfügbar bis 17.03.2099 WDR 5

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Wie funktioniert der menschliche Verstand?

Also studiert Allen Newell Mathematik und Physik. In seinem ersten Job beschäftigt er sich mit der Frage, wie es zu Entscheidungsfindungen kommt. Bei einem Vortrag über die noch junge Computerwissenschaft findet Newell sein "interessantes Problem", das ihn sein Leben begleiten wird: "Es war der Gedanke, dass wir mit mechanistischen Mitteln verstehen konnten, wie der menschliche Verstand funktioniert."

Newell will das menschliche Gehirn und die Denkprozesse zunächst nur künstlich nachahmen, um sie so zu erforschen. Die so entstehende Künstliche Intelligenz ist sozusagen das Nebenprodukt der philosophischen Entschlüsselung des Geistes.

Langjährige Forschung mit Nobelpreisträger Herbert A. Simon

Nobelpreisträger Herbert A. Simon | Bildquelle: Hans-Joachim Müller

Dabei geht es Newell vor allem um die Frage, wie Menschen Probleme lösen: Was machen sie zuerst? Welche Teilformel betrachten sie zuerst? Zusammen mit seinem langjährigen Forschungspartner, dem späteren Nobelpreisträger Herbert A. Simon, entwickelt Newell 1956 das Computerprogramm "The Logic Theorist", das heute als Grundpfeiler der Künstlichen Intelligenz gilt.

Newell und Simon machen sich mit ihrer Forschung zur Entscheidungsfindung nicht nur in der Computerwissenschaft einen Namen, sondern auch in der Psychologie. "Arbeiten von Newell finden sich bis heute auch in Psychologie-Lehrbüchern, wenn es um das Thema Problemlösen geht", sagt Ute Schmid, Professorin für Angewandte Informatik und Kognitive Systeme an der Universität Bamberg.

Auszeichnung mit dem Turing-Preis

Für ihre Forschungen zur Programmierung und Künstlichen Intelligenz werden Allen Newell und Herbert Simon 1975 mit dem Turing-Preis ausgezeichnet, den höchsten Preis der Computerwissenschaften. Im Jahr darauf erhält Newell eine Professur an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh.

Hier forscht er weiter an dem Problem, das ihn seine gesamte wissenschaftliche Laufbahn beschäftigt: der Natur des menschlichen Geistes. Als sein letztes Projekt wählt Allen Newell bewusst eine Mammutaufgabe, die er nicht abschließen können wird – eine Theorie, die alle kognitiven Leistungen beschreibt und simulierbar machen soll.

Wunschgemäß überdauert ihn sein letztes Projekt. Allen Newell stirbt im Juli 1992 mit 65 Jahren an Krebs. Eine einheitliche Kognitionstheorie ist bis heute nicht gefunden. Dabei findet Newells Verbindung von Künstlicher Intelligenz und menschlicher Denkprozesse auch in den aktuellen Forschung zur Künstlichen Intelligenz noch immer Beachtung.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Daniela Wakonigg
Redaktion: Matti Hesse

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 19. März 2022 an Allen Newell. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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