Im Vorfeld gibt es warnende Stimmen. Seit dem gewalttätigen Protest gegen den G8-Gipfel in Genua, bei dem 2001 ein Demonstrant von der Polizei erschossen worden ist, finden solche Treffen an abgeschotteten Orten statt. Doch Deutschland will seinen G20-Vorsitz 2017 mit einer Konferenz in Hamburg krönen. "Den Hafengeburtstag wuppen wir doch auch jedes Jahr", so der damalige Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD).
Das Treffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer soll mitten in der Stadt stattfinden - in der Nähe des linksalternativen Schanzenviertels, wo es jahrelang Streit um das Autonome Zentrum "Rote Flora" in der Hafenstraße gegeben hat.
"Welcome to Hell"
Schon in den Tagen vor dem Gipfel, bei dem es um den Klimawandel, die Energiepolitik und die Situation Afrikas gehen soll, finden in der Stadt zahlreiche friedliche Gegenveranstaltungen statt. Dazu gehört auch der "Gipfel für globale Solidarität". Mehr als 2.000 Besucher aus 20 Ländern diskutieren über Armut, Naturzerstörung und soziale Ungerechtigkeit.
Es kommt aber auch zu ersten Konfrontationen zwischen Polizei und Gipfelgegnern. Am Vorabend des Gipfels versammeln sich bei der Kundgebung "Welcome to Hell" mehrere tausend Demonstranten auf dem Hamburger Fischmarkt. Darunter sind auch Vermummte vom linksautonomen "Schwarzen Block". Als diese sich weigern, ihre Gesichtsbedeckung abzulegen, versucht die Polizei, den "Schwarzen Block" abzudrängen.
Die Situation eskaliert. Es werden Flaschen und Steine gegen Polizisten geworfen, die mit Wasserwerfern und Pfefferspray die Veranstaltung auflösen - und für diesen massiven Einsatz anschließend heftig kritisiert werden.
Bedrohung, Brandstiftung, Plünderung
Am ersten Gipfeltag, dem 7. Juli 2017, ziehen mehr als 200 vermummte Randalierer über die Elbchaussee, zünden parkende Autos an, werfen Scheiben von Privathäusern ein und bedrohen Fahrgäste eines Linienbusses. Lange Zeit ist keine Polizei zur Stelle - die hat gerade an anderen Orten genug zu tun. Mehr als 30.000 Sicherheitskräfte aus dem ganzen Bundesgebiet sind im Dauereinsatz.
Am Abend versammeln sich im Schanzenviertel immer mehr gewaltbereite G20-Gegner. Barrikaden werden errichtet und angezündet. Das Feuer greift auf eine Sparkasse über, mehrere Anwohner setzen Notrufe ab. Drogeriemärkte werden geplündert. Schließlich rückt ein Spezialkommando an, das die Situation unter Kontrolle bringt.
Scholz entschuldigt sich
Am zweiten Gipfeltag gibt es weitere kleinere Zwischenfälle, doch der friedliche Protest dominiert. Dazu gehört die Demonstration "Grenzenlose Solidarität statt G20", an der mehr als 70.000 Menschen teilnehmen.
Nach dem Ende des Gipfels rechtfertigt Olaf Scholz die Entscheidung für das G20-Treffen in Hamburg. Die Verantwortung für die gewalttätigen Ausschreitungen liege ausschließlich beim kriminellen Mob. Dafür, dass es nicht gelungen sei, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, entschuldige er sich.
Gegen mehr als 1.300 Beschuldigte werden Verfahren eingeleitet. Viele Randalierer werden verurteilt. Polizeibeamte sind bisher nicht belangt worden - obwohl es mehr als 150 Anzeigen von Anwohnern und Demonstranten wegen Körperverletzung im Amt gibt.
"In Hamburg brach in ganzen Straßenzügen das Chaos aus", erklärt dazu der zuständige Hamburger Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich. Unter diesen Rahmenbedingungen zu erkennen, ob Beamte rechtswidrig gehandelt hätten - das seien "hohe Voraussetzungen".
Autor des Hörfunkbeitrags: Ralf Gödde
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 7. Juli 2022 an den Beginn des G20-Gipfels in Hamburg. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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