"Es darf heute, ohne Angst und Übertreibung, gesagt sein", hält Adorno fest, "dass im Umkreis der unmittelbaren Wagner-Nachfolge keiner lebte, der mit so viel Geschmack, so wenig Trara, vor allem aber so durchaus gesichertem und kritisch durchformtem Handwerk komponierte wie Humperdinck."
Assistent von Richard Wagner
Geboren wird Humperdinck 1854 als Sohn eines Gymnasiallehrers im rheinischen Siegburg. Von der Mutter, einer leidenschaftlichen Klavierspielerin, erbt er sein musikalisches Talent. Mit 14 Jahren besucht er in Köln eine Aufführung von Albert Lortzings Oper "Undine" – eine Initialzündung, die seine Leidenschaft fürs Dramatische, Märchen- und Bühnenhafte entfacht.
Nach der Schule beginnt Humperdinck in Köln ein Musikstudium, das er in München fortsetzt. In dieser Zeit entstehen erste Kammermusikwerke. Während eines Italien-Aufenthalts 1880 dann der entscheidende Wendepunkt: Humperdinck klingelt an der Tür Richard Wagners, der gerade über einer Partitur des "Parsifal" brütet. Offenbar ist dieser so angetan von dem Besuch, dass er Humperdinck einlädt, ihm bei der Uraufführung seiner Oper in Bayreuth zu assistieren.
Fortan geht Humperdinck bei Wagner ein und aus. Und er erlebt seine Musik- und Bühnensprache hautnah mit. Erst später wird er sich auch musikalisch von diesem Vorbild lösen.
Eine deutsche Volksoper
Ende der 1880er Jahre liest Humperdinck Grimms Märchen. 1888 schreibt er zunächst ein kleines Liederspiel über "Schneewittchen", anderthalb Jahre später wagt er sich an seine Oper "Hänsel und Gretel". Richard Strauss leitet 1893 die Uraufführung. Die Komposition wird ein Welterfolg. Selbst der deutsche Kaiser Wilhelm II. gratuliert Humperdinck persönlich.
Nach Mozarts "Zauberflöte" und Webers "Freischütz" avanciert "Hänsel und Gretel" im 19. Jahrhundert zur dritten deutschen Volksoper – spätere Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten inklusive. Dass Humperdinck als Visionär zusammen mit Max Reinhardt mit der riesigen Musikpantomime "Das Mirakel" und ihren 4.000 Statisten in einer Londoner Automobilfabrik revolutionäre Bühnengeschichte schrieb, ist hingegen fast unbekannt.
Engelbert Humperdinck stirbt am 27. September 1921 mit 67 Jahren in Neustrelitz.
Autor des Hörfunkbeitrags: Christoph Vratz
Redaktion: Hildegard Schulte
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 27. September 2021 an Engelbert Humperdinck. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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