Heinrich-Böll-Preis, Georg-Büchner-Preis, Theaterpreis Berlin, sogar den Literaturnobelpreis - Elfriede Jelinek räumt mit ihren Romanen, Theaterstücken, Gedichten, Hörspielen, Essays und Drehbüchern alles ab. Doch unumstritten ist die österreichische Schriftstellerin nicht. Im Gegenteil: Sie legt den Finger tief in die Wunden, zeigt Missstände auf, die oft niemand sehen oder hören möchte.
Ihre Kritiker werfen Jelinek dabei Sarkasmus, eine geradezu vulgäre Sprache und Aggressivität vor. Nicht ganz zu Unrecht, denn sie selbst sagt: "Ich schlage mit der Axt drein". Vor allem in den 80er- und 90er-Jahren gibt es Auseinandersetzungen mit der Politik, den Medien und der Kirche.
Von der Mutter gedrillt
Dass sie aggressive Literatur schreibe, so Jelinek, liege auch an der Aggression in ihrer Familie, die sie als Alltag und nicht als Ausnahme erlebte. Am 20. Oktober 1946 in Mürzzuschlag in der Steiermark geboren, wird sie von ihrer Mutter früh auf Leistung in der Kunst gedrillt. Sie erhält bereits mit vier Jahren Ballett- und Französischunterricht, studiert mit 14 Klavier und Komposition am Wiener Konservatorium.
Trotz guter Abschlüsse wählt Jelinek nicht die für sie vorgesehene Karriere als Musikerin. Sie habe zu schreiben begonnen, um der Bevormundung der Mutter zu entkommen, erklärt Jelinek, die im Verlauf der 68er-Revolte radikalere Töne anschlägt.
Mit ihrem Roman "Die Liebhaberinnen" schafft sie 1975 den Durchbruch. Es ist nur eines von vielen Werken, in dem sich die oft als "Männerhasserin" verschriene Jelinek mit patriarchalen Machtstrukturen befasst. Auch ihr frühes Buch "Lust" spießt die Männer- und Klassengesellschaft auf und prangert die sexuelle Unterdrückung der Frau an. Ihr - später verfilmter - Roman "Die Klavierspielerin" rebelliert gegen strukturelle Gewalt im Privaten.
Provokant und brillant
Jelineks Wut wendet sich aber nicht nur gegen das Familiäre, sondern auch gegen den Staat. Das Politische, das ins Private greift, liefert ihr provozierenden literarischen Stoff.
Hier liegen zwei weitere Aspekte, die sie immer wieder aufgreift: zum einen die Kritik am Kapitalismus und an Ausbeutungsverhältnissen, zum anderen die Verdrängung der Vergangenheit, vor allem die Mitschuld Österreichs am Nationalsozialismus. Im Drama "Burgtheater" thematisiert sie den Opportunismus der österreichischen Künstlerinnen und Künstler, aber auch von Österreich insgesamt, wenn es um die Kollaboration mit Nazi-Deutschland geht.
Bis heute kommentiert Jelinek literarisch die Missstände der Gesellschaft, sie mahnt, mischt sich ein. Dabei jongliert sie mit der Sprache wie kaum eine zweite. "Die Kassandra der zeitgenössischen Literatur", wie sie genannt wird, hat die Übertreibung perfektioniert, mit Zorn und Leidenschaft fordert sie die Welt heraus.
Autor des Hörfunkbeitrags: Christoph Vormweg
Redaktion: Hildegard Schulte
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