Mit seinem filmischen Monumentalepos "Heimat" schafft Edgar Reitz 1984 den großen Durchbruch. Der Regisseur begleitet darin die Bewohner des fiktiven Hunsrückdorfs Schabbach, vor allem aber die Familie des Kriegsheimkehrers Paul Simon, durch ihr Leben.
"Heimat" ist eine poetische wie realistische Annäherung an die deutsche Vergangenheit, wie sie sich in der Provinz abgespielt haben könnte. Genau diese unkonventionelle Mischung macht auch den großen Erfolg aus: "Es gibt etwas, von dem ich behaupte, es erfunden zu haben: Das ist diese Form der fiktiven Chronik", erklärt Reitz.
Geboren wird er am 1. November 1932 in Morbach im Hunsrück. Edgar ist ein eifriger Schüler, macht als erster in seiner Familie Abitur. Sein Vater möchte, dass er mal sein Uhrmachergeschäft übernimmt, doch der Junior hat andere Pläne. Schon auf dem Gymnasium inszeniert Reitz Theaterstücke, will Dichter oder Filmemacher werden.
Mit 19 Jahren geht er zum Studium nach München. Reitz nimmt Schauspielunterricht und ist Mitbegründer des "Studentischen Filmtheaters". Mitte der 50er Jahre wirkt er als Kamera-, Schnitt- und Produktionsassistent erstmals an professionellen Filmen mit.
Oberhausener Rebell
1962 gehört er zu den Unterzeichnern des Oberhausener Manifests, das "Papas Kino" den Krieg erklärt und den Slogan "Der alte Film ist tot - wir glauben an den neuen" zum Programm erhebt. Fortan wird auch in Deutschland das Konzept des Autorenfilms populär, der in den Folgejahren wesentlich durch Reitz mitgeprägt wird.
1967 wird sein erster Spielfilm "Mahlzeiten" auf dem Festival in Venedig als bestes Erstlingswerk prämiert. Doch so gut läuft es nicht immer, erinnert sich der Regisseur: "Es gab Phasen in meinem Leben, wo ich mich gefragt habe, welcher Unglücksstern hat mich einen Filmemacher werden lassen." So wird etwa sein aufwendig produzierter Film "Der Schneider von Ulm" auch zur finanziellen Bruchlandung für Reitz.
Durch "Heimat" weltbekannt
Er zieht sich auf die Insel Sylt zurück, um sein sein Leben neu zu ordnen und über seine berufliche Zukunft nachzudenken. Das Ergebnis ist "Heimat - Eine deutsche Chronik". Der 16-stündige Film beschreibt anhand von Familienschicksalen der Simons und anderer Dorfbewohner die Geschichte der Deutschen, von den beiden Kriegen bis zum Wirtschaftswunder. Kritiker überschlagen sich vor Lob und Reitz stehen fortan auch international alle Türen offen.
Ermutigt vom immensen Erfolg seiner vielfach preisgekrönten Familien-Saga dreht Reitz zwei Fortsetzungen, die die Simons bis in die Zeit nach dem Mauerfall begleiten. Zwar erreichen diese die Kraft des Ursprungswerks nicht mehr, dennoch führt der Filmemacher sein "Heimat"-Projekt unbeirrt fort. Zuletzt stellt Reitz 2013 mit "Die andere Heimat" den vorläufig letzten Teil seiner Saga vor. Darin geht es um Menschen, die im 19. Jahrhundert aus dem Hunsrück nach Brasilien auswandern.
"Heimat ist immer etwas Retrospektives. Ein Gefühl des Verlusts", sagt Reitz - ein Gefühl, in dem sich viele Menschen wiedererkennen.
Autor des Hörfunkbeitrags: Detlef Wulke
Redaktion: Gesa Rünker
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